Neben Sarah Spiekermann bieten auch die Autoren dieses Bandes einen Einblick in die Facetten der digitalen Ethik. Der Blick ins Inhaltsverzeichnis macht deutlich: Hier werden ganz konkrete Probleme verhandelt, die sich aus dem Einzug des Digitalen in mehr und mehr Lebensbereiche ergeben: Privatheit und Datenschutz, das selbstoptimierte Ich, Cyber-Mobbing, Arbeit 4.0 und die Frage der Haltung in der digitalisierten Welt, um nur einige zu nennen. Die Autorinnen und Autoren sind oder waren alle Mitarbeiter am Institut für digitale Ethik an der Hochschule für Medien in Stuttgart. Dieses Buch, so schreiben sie einleitend, sei entstanden aus ihren Vorträgen und der Bitte der Zuhörer, die doch zum Nachlesen aufzuarbeiten.
Bevor sich die Autorinnen und Autoren den uns alle betreffenden Problemen zuwenden, entwickeln sie einen kurzen theoretischen Unterbau ihrer weiteren Erörterungen. So machen sie zum einen deutlich, dass ethische Fragen nur klären kann, wer über grundlegende Informationen der jeweiligen Sachverhalte und mögliche Konflikte, die aus ihnen erwachsen, verfügt. Auf dieser Grundlage erst können wir immer wieder neu über Normen und Werte verhandeln, können nur so Werte immer wieder neu justieren und festlegen.
Neben dieser sachkundigen Sicht auf die Digitalisierung, benötigen wir, so die Autoren weiter, Hilfestellungen, Maßstäbe und auch Methoden, um abwägen zu können, unter welchen Bedingungen und in welchem Maß wir uns auf die Digitalisierung einlassen können oder wollen. Hier stelle das analytische Instrumentarium der Ethik Angebote zur Verfügung, mit deren Hilfe wir Entscheidungen für unser Leben in einer immer digitalisierter Umwelt treffen können. Die Autoren nennen hier drei Ansätze einer ethischen Betrachtung:
Aus einer teleologischen Perspektive könne die digitale Ethik Antworten auf die Fragen geben, was die ursprüngliche Idee der Anwendung gewesen sei und welche Folgen diese Anwendungen in der Praxis habe. Diese Beurteilung aus der Sicht des Entwicklungsziels eines Programms, einer Innovation oder einer App lote somit die Kosten-Nutzen-Relation aus und gebe Hinweise zur Abschätzung der (finanziellen) Folgen. Wenn in der Altenpflege Roboter eingesetzt werden, dann sicher mit dem Ziel, die gleichen Pflegeleistungen zu erbringen wie Menschen. Dafür aber wesentlich kostengünstiger und somit positiv für die Gemeinschaft der Versicherten. Dass dem kranken oder alten Menschen hier der persönliche Kontakt und die menschliche Zuwendung verloren geht, rückt in den Hintergrund.
Eine zweite Betrachtungsweise erlaubt die deontologische Ethik. Hier werde aus der Perspektive der Pflicht beurteilt, ob die Entscheidung für eine digitale Anwendung oder für den Einsatz einer digitalen Leistung moralisch legitimiert werden kann. So kann, um auf das Beispiel des Pflegeroboters zurückzukommen, aus dieser Perspektive angeführt werden, dass einem kranken oder einem alten Menschen eben genauso solche Wertschätzung zustehe, wie einem gesunden. Und dass es einem Verstoß unserer Pflicht zur Humanität gleichkomme, ihn von einem seelenlosen Roboter zu pflegen.
Als eine dritte Beurteilungsmethode regt die tugendethische Betrachtungsweise uns dazu an, die Möglichkeiten des „guten Zusammenlebens“ mit Hilfe der digitalen Anwendungen zu erproben. Diese Art der ethischen Beurteilung stellt das gute und gelinge Leben, sowohl für den einzelnen als auch für die Gesellschaft, in den Vordergrund. Von diesem Standpunkt aus kann die Frage gestellt werden, ob uns der Einsatz eines Pflegeroboters geeignet erscheint, um ein wertvolles Miteinander auf der einen Seite und die Erhaltung der Würde des Pflegebedürftigen auf der anderen Seite zu fördern.
Nach diesen einleitenden Anmerkungen setzen sich verschiedene Autorinnen und Autoren mit ganz konkreten Problemen und Fragen der Digitalisierung in unserem Alltag auseinander. Sie erläutern das besonders schützenswerte Gut der Privatheit, indem sie aufzeigen, an welchen Stellen unsere privaten Daten entstehen und von digitalen Unternehmen genutzt werden. Ein Leben in Autonomie und Freiheit aber, so die Autoren, könne durch zu viel Zugang zu unseren privatesten Daten in verschiedenen Graden eingeschränkt werden.
Sie setzen sich mit Datenschutz und Überwachung auseinander, mit dem „zwanglosen Zwang“, immer online sein zu müssen, mit den verschiedenen digitalen Gadgets, die uns statt der Verbesserung von Gesundheit oder Fitness doch nur gängeln oder gar an sich ständig steigernden Zielen scheitern lassen. Sie zeigen die Probleme auf, die Fake News in demokratischen Gesellschaften anrichten, erläutern Formen der Online-Gewalt und die verschiedenen Facetten des Gamings.
Im letzten Drittel des Bandes wenden sich die Autoren komplexen Problemen zu, wenn sie sich mit den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI), mit den Veränderungen unserer Arbeit, der Arbeit 4.0, und unserer Mobilität – Stichwort „selbstfahrerende Autos“ – auseinandersetzen. Dass das letzte Kapital sich dann mit dem Thema der „Haltung“ beschäftigt, mit einer Haltung, die sich eben der Vorteile der Digitalisierung durchaus bewusst ist, die aber auch ihre Grenzen kennt und ihre Auswirkungen auf die verschiedenen Bereiche unserer Gesellschaft, ist dann nur folgerichtig. Und so steht am Ende des Bandes, wofür die einzelnen vorangegangenen Beiträge auf die Folgen und Wirkungen der Digitalisierung schon ihre Beiträge geleistet haben, nämlich mit Hilfe dieser Haltung auch für unsere Zivilität einzustehen.
Wenn auch die diversen Beiträge verschiedene Aspekte der Digitalisierung beleuchten, wenn auch die Autoren versuchen, so konkret wie möglich zu sein, so kann der Band insgesamt so recht nicht überzeugen. Schon die als Grundlage dargelegten ethischen Betrachtungsweisen, die teleologische, die deontologische, die tugendethische Perspektive, sind äußerst knapp formuliert, sind soweit „didaktisch reduziert“, dass kaum noch die philosophischen Kernideen der Konzepte zu erkennen sind. Vor allem aber finden sie sich kaum mehr in den einzelnen Beiträgen wieder, um so eine auf diesen drei Grundlagen ethischer Herangehensweisen vertiefte Auseinandersetzung führen zu können. Das mag dem Erscheinen des Bandes in der Reihe „Kompaktwissen“ geschuldet zu sein, ist aber trotzdem schade.
Schade ist auch, dass dem vollmundigen Hinweis auf eine „narrative“ Ethik mit ihren Möglichkeiten, aus Geschichten lernen zu können, lediglich Textschnipsel aus Zeitungen folgen. Natürlich: die konkreten Beispiele machen die Probleme anschaulich, zeigen die Dilemmata am und im gelebten Leben auf. Als Leserin, die gewohnt ist, aus Geschichten – und ich meine hier explizit die fiktionalen Geschichten – auch ethische Fragestellungen ableiten und abwägen zu können, ist der Begriff in diesem hier verwendeten Zusammenhang doch ein wenig übertrieben.
Die einzelnen Beiträge sind in ihrer Qualität und inhaltlichen Tiefe wiederum sehr unterschiedlich. Manche der Beiträge scheinen mehr das Ziel zu haben, einen fachlichen Aufriss darlegen zu wollen, statt einen ethischen Diskurs anzuzetteln. Hier können Leserinnen und Leser, die sich noch nicht mit den Themen beschäftigt haben, einen zusammenfassenden Überblick bekommen. Andere Beiträge dagegen loten zumindest im Ansatz ethische Fragen aus. So ist der Band für Leserinnen und Leser, die an einer vertieften ethischen Auseinandersetzung Interesse haben, die auch lernen möchten, wie sich die Fragen der Digitalisierung aus den eingangs dargelegten philosophischen Perspektiven diskutieren lassen, kaum empfehlenswert.
Petra Grimm, Tobias O. Kerker, Oliver Zöllner (Hg.) (2019): Digitale Ethik.Leben in vernetzten Welten, Stuttgart, Reclam Verlag






























Anke Stelling: Schäfchen im Trockenen – Darin erzählt die Erzählerin Resi davon, wie dumm es war, die tolle und vor allem bezahlbare Mietwohnung in der Berliner Innenstadt als Untermieter eines Freundes zu mieten, der sie nun, nachdem er sich über sie geärgert hat, aus der Wohnung wirft. Da wird sie nun mit Ehemann Sven und den drei Kindern genau zum neuen Jahr auf der Straße stehen.
Verena Mermer: Autobus Ultima Speranza – Im Bus der letzten Hoffnung sitzen die Arbeitsmigranten aus Rumänien, die den Bedrückungen der Arbeitslosigkeit dort versuchen zu entkommen, indem sie sich in in West-Europa im Dienstleistungsbereich zu niedrigsten Löhnen verdingen. Und mit diesem Bus ab und zu nach Hause fahren, um die Familien zu besuchen. So auch jetzt, zwei Tage vor Weihnachten.





















Dina Netz fragt dann auch die Autorin, ob Angst ein Motiv sei, dass Waclaw begleite. Seine Angst, so Kampmann werde Waclaw immer dann bewusst, wenn er zur Ruhe komme. Dann werden ihm alle leeren Versprechungen der letzten Jahre bewusst, dann fühle er, dass ihn keiner auffangen werde.
Drei Szenen las Kampmann: die Verabschiedung von Irene auf Malta, Waclaws Fahrt mit dem älteren Ehepaar durch die Berge und das Gespräch Waclaws mit Milenas Schwester, in dem sie ihm Milenas Elefanten-Lüge erzählt. Und wie bei Lüschers Lesung entfaltete auch Kampmann in ihrem höchst konzentrierten Vortrag, in dem sie zum Teil die Haltung der Figuren einnahm, eine Ebene des Textes, der – leider – beim eigenen Lesen überlesen wird, weil man zu schnell liest, zu wenig betont, und so ganz schnell über die jeweils besondere Bedeutung der Szene liest.
Winkels stellt Jonas Lüscher vor als einen der wenigen Autoren, die in ihren Romanen auch die ganz aktuellen wirtschaftlichen Themen, Probleme und Krisen verhandeln. Und schließt die Frage an, wie Lüscher sich in diese Richtung entwickelt habe. Lüscher, der seine philosophische Dissertation bei Michael Hampe in Zürich begonnen und auch einige Monate an der Stanford Universität gewesen ist, erklärt, dass er unter dem philosophischen Schreiben durchaus auch gelitten habe. Damit die philosophische Begriffsbildung richtig und genau sei, müsse sie so verallgemeinert, so zugespitzt werden, dass sie für viele (Einzel-)Fälle schon wieder nicht passe. Diese Begriffsfixierung sieht er dann auch als problemtisch an, um wissenschaftliche Erklärungen zu finden. In vielen Teilen der Wissenschaft, auch in der Philosophie, gehe es darüber hinaus vor allem um Quantifizierungen, die Untersuchung der sozialen Transaktionen der handelnden Akteure gerate dagegen immer mehr ins Hintertreffen.

auf besondere Weise verbunden. Denn in ihrem Zusammenhang haben sich die Redaktionsmitglieder Dieter Jandt, Torsten Krug und Andreas Steffens, vor zwei Jahren entschlossen, die Zeitschrift mit neuem Konzept wiederzubeleben. Zweimal jährlich erscheint sie nun, hat jeweils ein Titelthema und publiziert Beiträge von Autorinnen und Autoren aus dem gesamten deutschsprachigen Raum. Zum Konzept gehöre auch, dass jeweils ein bildender Künstler mitarbeitet. Für diese Ausgabe hat die Redaktion Eugen Egner gewinnen können, der Karikaturen zum Thema beigesteuert hat.
Zunächst trägt Lisa Sommerfeld, die auch Schauspielerin ist und deswegen in ganz besonderer Art vorzulesen weiß, ihre Erzählung „Cinderella Paraphrase“ vor. Um eine Lebenslüge geht es am runden Geburtstag des Vaters, an dem der Sohn nicht nur innerlich damit kämpft, ob er seinen Vater bei seinem Fest besuchen soll, sondern auch damit, ob er dem Vater – und der versammelten Festgemeinde – dann die Wahrheit über sich erzählen soll.
Hun-min Krämer trägt ihre Gedichte vor. Eines davon spricht davon, in Wuppertal zu leben, seit mehr als einem Jahr. Auch sie macht im nachfolgenden Gespräch deutlich, dass es gerade auch bei der Lyrik um die Bewegung vom Inhalt zur Form gehe. Sie erklärt ihr Arbeitsprinzip damit, dass sie die Welt beobachte und wahrnehme, ihr dabei aber immer ihre eigene Stellung des Außerhalb-Stehens bewusst sei. Erst so ergebe sich eine Sicht auf beide Seiten.
Performance „Fuck dich, multifaktorielles Modell“. In einem sehr eingängigen Sing-Sang erklären die Bezauberten ihrem Meister, dass sie Lösungen von ihm erwarten, auf keinen Fall aber eigene Entscheidungen treffen wollen. Wiedermann zeichnet hier nach, wie die Internetbezauberten einem Link nach dem anderen folgen, völlig überfordert von der Komplexität der vorliegenden Informationen und der Notwendigkeit, diese einschätzen zu können und zu müssen. Mit diesem Text ist sie wohl dem im Editorial angesprochenen Bernhard Pörksen und seinen Überlegungen in seinem Buch „Die große Gereiztheit“ am nächsten.
Diese Fragen stellten die Gastgeber Katarina Schulz und Torsten Krug dem Schriftsteller, Regisseur und Drehbuchautor Chris Kraus bei einer Veranstaltung der „Literatur auf der Insel“ während der Wuppertaler Literatur Biennale im Café Ada. In seinem brikettdicken Roman „Das kalte Blut“ hat Kraus die Familiengeschichte erzählt, nicht nur die des Großvaters, sondern auch die des Großonkels, die alle beide erst bei der SS und dann beim BND gelandet sind. Und Kraus erklärte, wie er die Geschichte seiner Familie erst recherchiert und dann in eine fiktionale Form transferiert hat.
Aus seinen Recherchen sei zunächst eine Familienchronik geworden, geschrieben aus der persönlichen Perspektive. Die Familie, der Vater vor allem, habe seine Erkenntnisse nach der Arbeit in den Archiven nicht zulassen können, zu tief saß noch das Träume. Und auch für ihn selbst sei schwer gewesen, den Großvater mit anderen Augen zu sehen. Denn er sei ja nicht nur „ein eindimensionaler Schlächter“ gewesen, sondern eben ein Mensch mit einer ganz komplexen Persönlichkeit, ein Mensch, den die Kunst interessiert, der sich nach Liebe sehnt und der doch auch unfassbare Taten begeht.
Natürlich stand auch die Frage im Raum, ob er selbst so ein Täter werden könne. Chris Kraus meint, dass davor wohl niemand gefeit sei, vor allem, wenn er in einem gesellschaftlichen Umfeld und in einer Familie aufwachse, die geradezu darauf vorbereite, ein Regime wie das NS-Regime zu unterstützen. Eine Möglichkeit, sich kritisch zu äußern, sich zu distanzieren gebe es dann nur zum Preis des Bruchs mit der Familie.
#SchönLügen ist das Motto der diesjährigen
Für sein eigenes Schreiben sei die Sprache ganz wichtig, die für ihn viel zu tun habe mit Musik. Und für seinen neuen Roman „Dämmer und Aufruhr“, der im Juni erscheinen wird, seien auch Bilder Inspirationsquellen gewesen, die kleinen schwarz-weißen Bilder aus den 1950er Jahren, die er zum Teil mit der Lupe betrachtet habe, und von denen es nur wenige gab. Aber jedes von ihnen sei für den Schreibprozess umso bedeutender gewesen sei, habe eine besondere Aura gehabt und einen „Gefühlsraum“ eröffnet, wie er sich heute bei den vielen Bildern, über die wir verfügen, wohl nicht mehr einstelle.
Ausgezeichnet wurden nun Stephan Roiss, der den Auszug aus einem Romanmanuskript eingereicht hat. Ein Wir-Erzähler, ein kleiner Junge, erzählt in „Mutterseele“ von seiner ziemlich trostlosen Kindheit und ihren Auswirkungen auf seine Seele.
den Förderpreis für ihre Geschichte über „Tutti“ und Thomas, die im Lebenmittelladen arbeiten und sich am Ladeneigentum bereichern. Dabei fällt die Strafe, als sie dann erwischt werden, den sozialen Schichten, denen sie entstammen folgend, auch unterschiedlich aus.
Den Haupttpreis hat sich Yannic Han Biao Federer erschrieben mit seiner Geschichte „stay hungry“. Die erzählt mit einigen Pointen vom glücklosen Schriftsteller René, der sich auch als PR-Berater mehr schlecht als recht versucht, finanziell über Wasser zu halten und in seinem fiktionalen Werk über einen Autor schreibt, der als PR-Berater jobbt. Als Frau Heinze, die Nachbarin, um die er sich immer wieder kümmert und einkaufen geht, plötzlich stirbt, findet er ein Thema für sein Buch.



