Monat: Mai 2013

Meike Winnemuth: Das große Los

Was tun, wenn man eine größere sechs- oder gar siebenstellige Summe im Lotto gewinnen würde: Erst einmal die notwendigsten materiellen Wünsche erfüllen – das Traumauto, das Traumhaus, das Pferd, das Boot – oder mit dem Geld etwas ganz anderes anstellen, nämlich endlich das Studium beginnen, das man immer schon mal anfangen wollte, eine lange Reise machen, die man sich immer schon mal erträumt hat, eine Auszeit nehmen vom Beruf oder gar einen Neuanfang starten in einer anderen Stadt, einem anderen Land, einem neuen Beruf oder, oder, oder. Beim Überlegen wird schnell klar, dass hier um die fast schon philosophische Frage geht, was man so völlig anderes anstellen könnte mit dem eigenen Leben – aber vielleicht ist ja auch alles genau so gut, wie es gerade ist (so ergeht es ja Jocelyne in Delacourts Roman „Alle meine Wünsche“). Meike Winnemuth hat das große Los erwischt, 500.000 € hat sie gewonnen bei „Wer wird Millionär?“. Sie hat sich zu der Rateshow beworben, weil sie als freie Journalistin ein finanzielles Polster haben wollte, um nicht jeden Auftrag unbedingt …

Taiye Selasi: Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Kweku Sai ist 16, als er seiner Mutter mitteilt, dass er mit den Missionaren nach Pennsylvania gehen wird. Er steht vor ihr, barfuß, in der Hütte aus Lehm, die sein Vater gebaut hat, mit dem in der Mitte fünf Meter hohen Dach aus Schilf. Sein Vater hat die Familie verlassen, aus Scham wahrscheinlich, weil er ins Gefängnis musste und dann öffentlich ausgepeitscht wurde, denn er hat einen betrunkenen englischen Soldaten geschlagen, der seine Frau belästigt hat. Nun will auch Kweku weg und natürlich will die Mutter ihn zurückhalten, sagt, dass er hier gebraucht werde, bei der Familie, doch Kweku will nicht bleiben in Ghana, in dem Dorf am Meer, in dem er Fischer werden kann, vielleicht Tischler oder Bediensteter einer reichen Familie, dann mit Uniform oder Anzug, aber immer barfuß. Er will weg, will lernen, will so leben wie die Engländer mit ihrem großen Haus am Strand. Und weil es Streit gibt, wirft Kweku der Mutter vor, sie wolle ihn nicht weglassen, weil sie eifersüchtig sei, eifersüchtig, weil sie mit sieben Jahren die Schule verlassen …

Erwin Koch: Von dieser Liebe darf keiner wissen. Wahre Geschichten

Gute Reportagen zu lesen, ist ein wahrer Genuss. Zu einer Zeit entstanden, als es weder Kameras noch Facebook gab, um uns auch noch die letzten Ecken der Erde auszuleuchten, kam dem Journalisten die Aufgabe zu, besondere Ereignisse aus den Metropolen und Winkeln der Welt so zu berichten, dass die Leser den Eindruck gewinnen konnten, unmittelbar vor Ort bei dem Ereignis dabei gewesen zu sein. Neben dem eigenen Augenschein und der Recherche von Hintergrundinformationen hat der Reporter also die Aufgabe, möglichst anschaulich und unmittelbar zu schreiben, mit der Sprache so zu malen oder zu filmen, dass der Leser bei der Lektüre sinnliche Eindrücke entwickeln kann, dass eigene Bilder entstehen, ein „Kino im Kopf“. So bewegt sich die Reportage auf der Grenze zwischen dem (objektiven) Tatsachenbericht, denn Tatsachen sind jeweils die Grundlage der Geschichten, und dem (subjektiven) Erleben. Als Experte vor Ort wählt der Reporter nicht nur aus den Geschehnissen aus, was ihm interessant, merk- und denkwürdig oder auch fremd erscheint, sondern arbeitet durch die Art seiner Textgliederung, seines Spannungsaufbaus und der Wahl seiner Sprache eher wie …

Rainer Merkel: Bo

Im Flugzeug schon geht das Chaos los, als Benjamin, 13-jährig, nach Monrovia in Liberia fliegt, um seinen Vater zu besuchen, der dort als Entwicklungshelfer Brücken baut. Neben Benjamin sitzt die Frau des ehemaligen deutschen Botschafters in Liberia (die ursprünglich aus Wuppertal (!) kommt). Und sie ist die magische Helferin, die Benjamin mit allen Hilfsmitteln ausstattet, damit er seinen Heldenweg im dunklen, mythischen Wald, der hier Liberia ist, sicher bestehen kann. Sie hat zwar die Tüte, in der Benjamin nicht nur die Sonnenmilch, einen Sonnenhut, etwas Bargeld, sondern vor allem auch seinen Pass verwahrt, an sich genommen und verschwindet damit bei ihrem sehr schnellen Ausstieg nach der Landung. Dafür lässt sie aber ihren sehr muffigen Mantel im Flugzeug liegen, den Benjamin nun an sich nimmt und später feststellen wird, dass viel Geld in seinen Taschen steckt. Indem sie ausgerechnet kurz vor der Landung einen wunderschön blinkenden Ball durchs Flugzeug rollen lässt, stellt sie auch die Bekanntschaft zwischen Benjamin, der zwischen den Stuhlreihen hinter dem Ball herkrabbelt, und Brilliant her. Brilliant ist die sehr verwöhnte Enkelin von …

FO: Kauni Damask Jacke

Schon seit ein paar Wochen ist die Jacke fertig, aber dann mussten noch die Nähte geschlossen und die Knöpfe angenäht werden. Und das zooog sich irgendwie. Nun habe ich sie aber schon ein paar mal angehabt, zum Glück ist es ja manchmal noch ziemlich kühl. Ich bin wirklich sehr zufrieden mit dem Werk. Der nächste Herbst kann also kommen! Nein, das mit dem Herbst nehme ich zurük: Wir wollen erst einmal Frühjahr und Sommer. Die Ärmel habe ich mit Steeks in einem Rutsch zusammen im Kreis gestrickt, damit der Farbverlauf bei beiden Ärmeln gleich ist. Das heißt dann natürlich, dass die Ärmel auch abgesteppt und aufgeschnitten werden müssen, aber eine Näherin mit entsprechender Nähmaschine bekommt das ja ruck-zuck hin. Als ich die Jacke dann zum Fotografieren aufgehängt habe,  ist mir aufgefallen, dass nun sogar der Farberverlauf von Körper und Ärmeln übereinstimmt. Das ist aber totaler Zufall oder Glück, weil ich die Knäuel gut erwischt habe. Und nach der Wäsche ist die Jacke noch viel schöner geworden, weil die Wolle ganz leicht anfilzt und die Maschen …