Monat: März 2019

Joachim Zelter: Im Feld. Roman einer Obsession

Joachim Zelter ist Rennradfahrer. Beim Videodreh anlässlich der Literatour Nord steht das Fahrrad erst im Hintergrund, später sieht man ihn darauf fahren. Er kennt sich aus mit dem Rennrad, ist vermutlich einer derjenigen, die auf den Landstraßen unterwegs sind, Kilometer um Kilometer und die Hügel und Berge gerne im Sattel erklimmen. Die sich, allen Anstrengungen zum Trotz, voller Motivation immer daran machen, Kilometer zu fressen, die sich an freien Tagen mit Gleichgesinnten treffen und die Strecken gemeinsam bewältigen – „im Feld“ fällt es leichter. Und so ist er für die Geschichte, die in seinem jüngsten Roman erzählt wird, offensichtlich ein Experte. Frank, der Protagonist, nimmt uns Leser mit zu seinem Radrenntreff an Christi Himmelfahrt. Als Teilnehmer der Trainingsfahrt, die wirklich eine Art Himmelfahrt wird, als einer, der, wann immer er dazu in der Lage ist, genau beobachtet, was um ihn herum passiert, gewährt er uns Einblicke in all das, was sich im Feld ereignet. Und auch in sein eigenes Leben, das er bei dieser Fahrt immer wieder reflektiert. Susan und Frank sind aus Göttingen nach …

Richard Russo: Immergleiche Wege

Vier Erzählungen sind versammelt in diesem Band, vier Erzählungen von Protagonisten in den mittleren Jahren, die darüber nachdenken, wie es zu den Schrammen, Kratzern und Wunden gekommen ist, die sie im Laufe des Lebens erhalten haben, manchmal durchaus mit eigenem Zutun. Es sind alles keine wirklichen Helden, die Russo uns vorstellt, keine Figuren, die sich in schwierigsten Situationen bewähren müssen und daran wachsen und reifen. Es sind eher die sprichwörtlich ganz normalen Menschen, die in ihrem ganz normalen Leben gezeigt werden, in Leben, die so verlaufen sind, wie auch die Leben der Leser verlaufen können. Alles ganz normal also – und doch zeigt sich in jedem der Geschichten nach und nach ein persönliches Drama. Die Professorin Janet Moore sitzt in ihrem Büro auf dem Campus und ihr gegenüber der Student James Cox, der einen Essay mit überzeugender Argumentation abgegeben hat – der aber, daran erinnert Janet sich, vor ein paar Jahren schon einmal eingereicht worden ist. Die alte Arbeit hat sie gesucht, vier Stunden hat es sie gekostet, sich durch die archivierten Texte in die …

David Fuchs: Bevor wir verschwinden

Als Praxisschock bezeichnet man die Erschütterungen des Berufsanfangs. Wenn endlich das ganze Gelernte in der Praxis angewendet werden soll, stattdessen aber Kenntnisse gefordert sind, die auf keinem schulischen oder universitären Lehrplan standen. Weil es auf einmal Berufsrollen und Hierarchien zu beachten gibt, weil Leistungen ständig gefordert, überprüft und bewertet werden, weil Disziplin über acht Stunden notwendig ist und der Arbeitsalltag in hohem Maße fremdbestimmt ist. Wenn vom Praxisschock schon in den technischen und wirtschaftlichen Bereichen berichtet wird, wie ist es erst, wenn Medizinstudenten mit dem Krankenhausalltag konfrontiert werden? Wenn sie gar auf eine Station gelangen, auf der weniger das Gesundwerden Ziel der Behandlung ist, sondern den Weg bis zum unvermeidlichen Tod zu gut wie möglich zu gestalten? Und wenn dann noch einer der Patienten der Ex-Freund ist, gerade Mitte Zwanzig und viel zu jung zum Sterben? Auf diese Station, der Onkologie, hat es Benjamin, Ben, verschlagen, Medizinstudent kurz vor den universitären Abschlussprüfungen. Im Keller der Klinik arbeitet er an Versuchen, Schweine zu defibrillieren, nachdem sie narkotisiert sind und bei ihnen Kammerflimmern ausgelöst worden ist. Die …