Monat: September 2015

Zu Besuch bei Heinrich Böll, Gabriel Garcia Marquez und Günther Wallraff – #bookupDe beim Verlag Kiepenheuer & Witsch

Am vergangenen Freitag warfen 20 elektronisch affine Leser beim bookupDE ihre Blicke hinter die dicken Mauern des Deichmannhauses gegenüber des Kölner Hauptbahnhofs, in dem seit 2008 der Verlag Kiepenheuer & Witsch residiert. Zu verdanken haben wir diese Einblicke in das Büroleben des Verlags wohl der Hartnäckigkeit Stefanie Leos, die nicht nur die Aktion des bookupDE ins Leben gerufen hat, sondern auch bei Ulrike Meier, die für die Onlinekommunikation verantwortlich ist, so vorstellig wurde, dass die gar nicht mehr ablehnen konnte. Erzählt Ulrike Meier zur Begrüßung jedenfalls schmunzelnd. Auffällig ist an diesem Abend zwischen Hauptbahnhof und Dom ist dann doch das besondere Kölner Temperament – oder die große Begeisterung für die Bücher. Alle Verlagsmenschen, die uns erzählten über das Zustandekommen des bookups, über die Geschichte des Verlags, über die Besonderheiten der Handbibliothek, die Geschichten erzählten über das Zustandekommen dieses oder jenes Buches, über die Tücken beim Übersetzen und Drucken eines Buches, sie alle untermalen ihren Beitrag mit großer Geste. So auch Verleger Helge Malchow, der uns, begleitet von Krach und Gegröle, der vom Bahnhofsvorplatz in die …

Ulrich Peltzer: Das bessere Leben

Der Beruf des Salesman, so berichtet Terézia Mora in ihren Frankfurter Poetikvorlesungen, eigne sich so gut für Romanfiguren, weil er etwas erzähle „über die Zeit, in der wir jeweils leben“. In Peltzers Roman treten gleich drei Salesmen auf und erzählen uns etwas über unsere Zeit, keine ganz kleinen Angestellten, sondern international agierende Händler, die große Volumina umsetzen und es insofern auch selbst geschafft haben zu einem „besseren Leben“. Sie alle sind um die 50, entstammen verschiedenen Gesellschaftssystemen, haben ganz unterschiedliche Jugendträume gehabt, unterschiedliche Werdegänge und Erlebnisse; und sind doch heute alle da, wo es sich um die größeren Aufträge dreht. Was sind das für Menschen, was bewegt und motiviert sie, welche Träume haben sie (noch), welche Ziele haben sie, welche Werte, welche Verantwortlichkeiten? Ulrich Peltzer hat einen faszinierenden zeitgenössischen Roman geschrieben, ja es scheint tatsächlich möglich zu sein, einen Roman zu schreiben mit zeitdiagnostischem Blick, der zudem nicht ganz ohne Anspruch ist an den Leser – und das gleich aus mehrfacher Sicht: Peltzer entfaltet vor den Augen des Lesers ein Wimmelbild von Figuren und ihren …

Reinhard Kleist: Der Traum von Olympia. Die Geschichte von Samia Yusuf Omar

Samias Geschichte ist unglaublich – und dramatisch. Ein Leben, wie es sich kein Autor ausdenkt, der sich nicht den Vorwurf einhandeln möchte, völlig abwegige Geschichten zu schreiben. Ein Leben im Scheinwerferlicht einer Olympiade, das dann doch auf der Flucht über das Mittelmeer nach Europa endet. Samia Yusuf Omar ist Sportlerin gewesen in einem Land, in dem Sport nicht weit entwickelt ist, in dem Sport von Frauen sowieso angefeindet wird. Sie stammt aus Somalia, ist die Tochter einer Obstverkäuferin, die selbst Sportlerin war, der Vater ist tot, wahrscheinlich ein Opfer der Bürgerkriege im Land, das seit den 1990er Jahren keine stabile Regierung mehr hat, sondern aufgeteilt ist zwischen unterschiedlichen Machtinteressen, radikale Islamisten bilden eine davon. Samia aber liebt den Sport und besonders die Leichtathletik. Sie trainierte die Sprintdisziplinen, den 100- und den 200-Meter Lauf. Bei der Olympiade 2008 in Peking marschierte sie mit der kleinen Delegation Somalias stolz ins Stadion, in ihrem 200-Meter-Vorlauf schied sie, zwar mit persönlicher Bestzeit, als letzte Läuferin aus; Veronica Campell-Brown ist alleine im gleichen Vorlauf wie Samia Omar über 10 Sekunden …

Leseschwerpunkt II: Flucht und Entwurzelung

In diesem Sommer schauen wir erstaunt auf die vielen Flüchtlinge, die sich aus den Krisenregionen im Nahen Osten und aus den unsicheren Ländern Afrikas nach Europa aufgemacht haben, auf einen beschwerlichen Weg, bei dem die Menschen nicht nur ihr ganzes altes Leben hinter sich lassen, sondern auch auf einen Weg, der tödlich enden kann. Angesichts der vielen Flüchtlinge, die da auf einmal ankommen, schauen wir auf ratlose Politiker, auf Politiker „vor Ort“, die schnelle Entscheidungen treffen und schnelle Lösungen finden (müssen), aber auch auf solche, sowohl in Deutschland als auch im Ausland, deren Sprache wieder einmal auf Ausgrenzung und Herabwürdigung setzt. Vor allem aber sind da die vielen, vielen hilfsbereiten Bürger, die die Flüchtlinge in Empfang nehmen, die sich ehrenamtlich engagieren, die spenden. Flucht und Flüchtlingswellen kennt die Geschichte viele. Immer wieder haben sich Menschen auf den Weg in eine bessere Zukunft gemacht, wenn sie politisch oder religiös verfolgt wurden, wenn sie keine Hoffnung hatten, ihr Leben selbstständig bestreiten zu können. Diese Wanderbewegungen haben sich auch in der Literatur niedergeschlagen. Auch jüngere Romane beschäftigen sich …