Monat: Januar 2014

Brigitte Kronauer: Gewäsch und Gewimmel

In fernen Zeiten, als das Wäschewaschen in einem Dorf noch gemeinschaftlich am Fluss, am Brunnen oder am Waschtrog stattfand, trafen sich die Frauen. Und während sie ihre Wäsche gemeinschaftlich einweichten, einseiften, schrubbten und bürsteten, kneteten, ausspülten, bleichten und trockneten, vertrieben sie sich die Zeit mit Gesprächen. Sie schwätzten und tratschen und schnatterten und klatschten und tauschten sich aus über die Fehler der anderen: sie wuschen also schmutzige Wäsche in verschiedener Hinsicht. Nun wird schon ewig nicht mehr am Dorfplatz gemeinsam gewaschen, geblieben ist das Gewäsch aber trotzdem: der Flurfunk belebt und würzt den Büroalltag, das Schwätzchen am Zaun verschafft die Teilhabe am Leben der vielen näher und entfernt wohnenden Nachbarn, im Supermarkt wird zwischen Kartoffeln und Möhren die Krankengeschichte der unglücklichen Tante zum Besten gegeben und bei der Geburtstagsfeier erhalten die Gäste einen mehr oder weniger ausführlichen Überblick über den Verlauf der Geschichte des schwarzen (Familen-)Schafes seit dem letzten Jahr. Es wird ja auch so gerne gesprochen über die, die gerade nicht da sind, geklatsch und getrascht, „gehaspelt, gesponnen, geschnurrt“, vor allem: verraten. Ob das …

Kam ein Blogstöckchen geflogen…

Erst in den letzten Tage habe ich auf irgendeinem Blog mit ganz anderem als literarischem Inhalt gelesen, dass es Blogstöckchen gibt. Aha, wieder etwas Neues gelernt. Und ehe ich es mich versehe, hat Birgit von Sätze und Schätze  ihr Stöckchen schon in meine Richtung geworfen, elegant aufgeschnappt von meinem gewandten Assistenten Linus (der Schnee täuscht, den gibt es hier „Tief im Westen“ bisher zumindest nicht). Nun geht es aber los:   Welches Buch liest Du momentan? Im Moment lese ich auch mal wieder mehrere Büchern mehr oder weniger gleichzeitig: Im Roman folge ich Zadie Smith nach „London NW“ und lerne dort vier ehemalige Schulkameraden kennen, die nun als Anfang 30-Jährige ihre ganz unterschiedlichen Lebenswege zeigen, aber auch darüber nachdenken, ob es gute Wege gewesen sind, ob sie zufrieden sind. Zusätzlich lese ich schon seit ein paar Wochen an Wolfgang Martynkewicz „Das Zeitalter der Erschöpfung“, in dem er der „Überforderung des Menschen durch die Moderne“, also dem Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert, nachgeht und dabei interessante und erschreckende Parallelen zu unserer aktuellen Diskussion um Überforderung …

Die Sonntagsleserin: KW # 04 2014

Die Idee der Bücherphilosophin, jeden Sonntag eine Blogrückschau zu betreiben, gefällt mir – schon seit ihrem ersten Beitrag Anfang Januar – sehr gut. Und nachdem sie ihre Idee zum  Mitmachen freigegeben hat, überlege ich von Woche zu Woche daran teilzunehmen. Zum einen finde ich gut, über die Wochenrückblicke nicht nur die Leseeindrücke der mitmachenden Blogger anschauen zu können, sondern auch den ein oder anderen Blog zu entdecken, die ich vorher noch gar nicht wahrgenommen habe. Zum anderen kann ich mir vorstellen, dass die eigenen Beiträge als Sonntagsleserin das eigene Leseerlebnis im Netz archivieren und so erinnerbar machen. Seitdem lese ich die Blogbeiträge anders, intensiver, so wie es mit auch mit meinen Romanen geht, seit ich darüber schreibe. Und beim genaueren Lesen ist mir aufgefallen, dass es in den einzelnen Wochen Themen gibt, zu denen sich die Beiträge zusammenfassen lassen. In manchen Wochen beherrscht ein bestimmter Roman das Interesse, in einer anderen lassen sich unterschiedliche Buchbesprechungen und Artikel zu einem Thema zusammenfügen. Um diese Themen „rund“ zu machen, muss ich wohl auch auf den ein oder …

Auður Ava Ólafsdóttir: Ein Schmetterling im November

Vierzig Tage lang drehen sich gleich mehrere Tiefausläufer über Island und vierzig Tage regnet es so viel, dass es zu Erdrutschen und Überschwemmungen in einem Ausmaß kommt, an das sich kaum ein Isländer erinnern kann. Durch die Überschwemmungen wird sogar ein Wal mitten im Dorf, direkt vor die Sparkasse, gespült. Dabei ist es mit 10 Grad so warm wie zur selben Zeit in Lissabon, ungewöhnlich, denn immerhin ist es November. Aber nicht nur die Natur ist aus dem Lot geraten, auch das Leben der Erzählerin gerät gerät ordentlich durcheinander. Es ist der denkwürdige Tag Anfang November, an dem der Regen beginnt und das Eis taut und die Ereignisse sich förmlich überschlagen: Beim Ausliefern ihrer Lektoratsarbeiten an ihre Kunden überfährt die Erzählerin eine Gans und beschließt, die günstige Gelegenheit zu nutzen und ihren Ehemann am Abend mit einem vorgezogenen Weihnachtsessen zu überraschen. Vorher aber will sie das Verhältnis zu ihrem Liebhaber beenden, der ihr aber zuvorkommt, da er es nicht ertragen kann, dass sie sich nicht von ihrem Mann trennen möchte. Und dann ruft auch noch …

Claire Beyer: Refugium

Ein Fuchs kündigt das Unglück an, ein einäugiger Hund ist behilflich, es aufzuklären. Zwischen beiden Ereignissen liegt ein Jahr, ein Jahr der Ungewissheit, ein Jahr zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Schuldgefühlen und Wut, ein Jahr in der Schwebe, in der nichts abgeschlossen werden kann, in dem es keine Trauer gibt. An dem Morgen, an dem Claudia den Anruf aus Lappland bekommt, ist der Fuchs nicht gekommen, der gewöhnlich nachts den Mülleimer untersucht und dabei den Deckel verschiebt. Robert, der in den Wintermonaten in Lappland auf den zugefrorenen Seen die neuen Autos testet, werde vermisst, sagt die Kollegin am Telefon, spät am Abend sei er losgefahren mit einem der Testautos zu einer nicht geplanten Fahrt und er sei nicht wieder zurückgekehrt. Ob sie etwas von ihrem Mann gehört habe. Schnell wird klar, dass den Kollegen nicht nur das unerklärliche Verschwinden Roberts Sorgen bereitet, sondern auch der Umstand, dass er mit einem der neuen Autos, einem Erlkönig, losgefahren ist, das nun ebenso verschwunden ist. Leider, sagte ihr Gesprächspartner, könne er ihr nicht weiterhelfen. Er sei nur darüber …

Ulrich Tukur: Die Spieluhr

In seiner Novelle entführt Ulrich Tukur den Leser Schicht für Schicht in ein immer unübersichtlicher werdendes Dickicht, in dem die Unterscheidung zwischen Realität und Fiktion immer schwerer fällt. Indem Tukur seiner Novelle den Untertitel „nach einer wahren Begebenheit“ zufügt und ihr gleichzeitig ein Zitat des – fiktiven – Majors Friedrich von Rotha voranstellt, spannt er geschickt den Bogen zwischen Wahrheit und Imagination: Die Wirklichkeit ist der Schatten der Kunst. Es geht also nicht um die Wiedergabe der Wirklichkeit, sondern um die Beschwörung des Mysteriösen, die Anrufung der verborgenen Seele der Menschen und der Dinge. (S. 7) In Tukurs Novelle werden Ereignisse aus verschiedenen Zeiten erzählt. Aber: jedes dieser Ereignisse entwickelt sich mehr oder weniger schnell zu einer rätselhaften, unerklärlichen, geheimnisvollen, ja, mehr und mehr auch schauerlich-gruseligen Begebenheit. Ausgangspunkt dieser Entwicklungen ist immer wieder die Kunst, es sind Filmaufnahmen, die Bilder Séraphines, Musik eines Spinetts, die kunstvoll bestickten Vorhänge in einem Schloss, eine Tänzerin auf einer Spieluhr, die sich zur Musik bewegt. Was ist schließlich „wahr“, wenn Kunst entsteht, wie „realistisch“ fängt der Künstler die Wirklichkeit …

Ein Frohes Neues Jahr 2014

Wenn auch verspätet, so wünsche ich Euch doch allen einen ganz besonders schönen Start ins Neue Jahr, beste Gesundheit und ganz viele tolle Bücher! Ich habe ja im letzten Jahr erst das Bloggen entdeckt. Es hat mir einen großen Spaß gemacht, hier so viele Gleichgesinnte (Viel-)Leser mit meterhohen SUBs und nicht endenwollender Lust auf neue Bücher kennenzulernen und mit Euch zusammen die vielen, vielen Bücher zu entdecken. Und das eigene Schreiben macht natürlich auch nur so richtig Spaß, wenn es auch Leser gibt. So kann ich mich noch erinnern, wie toll es war,  Eure ersten Kommentare zu meinen Beiträgen zu lesen, die ersten „Follower“ zu haben, auf den ersten Blogs verlinkt zu werden (vielen Dank an Euch alle!)  – und dann noch beim „5 lesen 20“ Projekt (Danke an Mara!) mitmachen zu können. Und so wünsche ich mir, dass es in diesem Jahr mit genauso viel Freude, Motivation und Engagement weitergeht. Die Verlagskataloge verheißen ja auf jeden Fall spannende Lektüre – und vielleicht bleibt ja auch noch Zeit für die alten Werke (also die ungelesenen …