Die Idee der Bücherphilosophin, jeden Sonntag eine Blogrückschau zu betreiben, gefällt mir – schon seit ihrem ersten Beitrag Anfang Januar – sehr gut. Und nachdem sie ihre Idee zum Mitmachen freigegeben hat, überlege ich von Woche zu Woche daran teilzunehmen.
Zum einen finde ich gut, über die Wochenrückblicke nicht nur die Leseeindrücke der mitmachenden Blogger anschauen zu können, sondern auch den ein oder anderen Blog zu entdecken, die ich vorher noch gar nicht wahrgenommen habe. Zum anderen kann ich mir vorstellen, dass die eigenen Beiträge als Sonntagsleserin das eigene Leseerlebnis im Netz archivieren und so erinnerbar machen.
Seitdem lese ich die Blogbeiträge anders, intensiver, so wie es mit auch mit meinen Romanen geht, seit ich darüber schreibe. Und beim genaueren Lesen ist mir aufgefallen, dass es in den einzelnen Wochen Themen gibt, zu denen sich die Beiträge zusammenfassen lassen. In manchen Wochen beherrscht ein bestimmter Roman das Interesse, in einer anderen lassen sich unterschiedliche Buchbesprechungen und Artikel zu einem Thema zusammenfügen. Um diese Themen „rund“ zu machen, muss ich wohl auch auf den ein oder anderen Beitrag zurückgreifen, der in den Wochen vorher erschienen ist, sich aber nun gut einfügt. Ich hoffe, das ist erlaubt. Und ich bin gespannt, obdieser thematische Blick auch in den kommenden Wochen immer etwas findet.
In dieser Woche haben sich viele interessante Beiträge gefunden, die sich dem Erinnern ganz besonders traumatischer Ereignisse und Erlebnisse beschäftigen:
Birgit von Sätze und Schätze stellte zu Beginn der Woche das nicht nur interessante, sondern auch wichtige Buch „Was hat der Holocaust mit mir zu tun?“ vor. In ihrem Beitrag zeigt sie auch merkwürdige Entwicklungen zur Relativierung der Holocaust-Debatte vor. Schon ein paar Tage vorher hat sie mit der Vorstellung des Jugendbuches „Nebel im August“ die Geschichte Ernst Lossas vorgestellt, dem Sohn einer Landfahrerfamilie, der im Dritten Reich erst in einem Waisenhaus landet, dann in einem NS-Erziehungsheim, dort die Diagnose „angeborene Stehlsucht“ erhält, und somit als „asozialer Psychopath“ unter das Euthanasiegesetz fällt.
Gleich zwei Besprechungen, von Mara und von buechermanic, haben sich mit Melitta Brezniks Roman „Der Sommer hat lange auf sich warten lassen“ beschäftigt. Die Protagonisten Max und Margarethe tragen beide ihre furchtbaren Erinnerungen aus dem Krieg mit sich herum, ein ganz normales Familienleben ist damit nicht möglich. So zeige dieser „aufwühlende und ohnmächtig machende“ Roman, wie ein Krieg „ganze Familie entzweien und zerreißen“ kann.
Und wie weit die Familiengeschichten aus dem Krieg, die Fragen von Täterschaft und Verantwortung, bis in die Gegenwart reichen, das zeigen und diskutieren Dina und Klausbernd mit Hilfe von Familienfotografien auf ihrem Blog.
Vielleicht ist mein Blick auf rund um diese Ereignisse sehr geschärft gewesen, da ich am Sonntag den tief beeindruckenden Film „Das weiße Band“ gesehen habe. Der Regisseur Michael Hanecke erklärt in einem Interview, dass er in seinem Film die autoritär-patriarchale Zeit des Jahrhundertwechsels zeigen wollte, um Erklärungen zu geben, wie es zu Faschismus und Gewalt überhaupt kommen konnte, denn die Kinder des Films, die durch ihre bigotten Eltern mit ihrer ausgeprägten Doppelmoral mit einer menschenverachtenden Erziehung konfrontiert waren, sind diejenigen gewesen, die dann in der 1930er und 1940er Jahren das politische System getragen haben.
Wie schwer es ist, den Tod der eigenen Kinder zu begreifen und zu akzeptieren, wie wichtig die Erinnerung an sie ist, damit beschäftigen sich die Bücher, die muromez und buchpost gelesen haben. Muomez schreibt über seine Leseeindrücke des Buches „Tonio“, dem Sohn des niederländischen Schrifstellers van der Heijden , und Anne von Buchpost hat Michael Köhlmeiers „Idylle mit ertrinkendem Hund“ gelesen.
Etwas zum Gucken
Und zum guten Schluss und für einen dann doch fröhlichen Sonntagabend gibt es bei Petra, die auf ihrem Blog dazu einlädt, Bilder der eigenen Buchregale zu veröffentlichen, ganz viel zum Schauen, Schmunzeln und Staunen Mittlerweile hat sie schon neun shelfies vorgestellt, die alle ein bisschen auch unserer kleinen voyeuristischen Neigung Vorschub leisten, zu schauen, was andere Leser denn so im Regal stehen haben.
Und hier sind die anderen Seiten der Sonntagsleser
Liebe Claudia,
deine Eindrücke teile ich – a) dass das Lesen ein anderes wird durch das Bloggen und b) dass es immer wieder bestimmte Themen und Bücher gibt, die offensichtlich in der Luft liegen, abgesehen davon, dass natürlich bestimmte Neuerscheinungen häufiger besprochen werden. Aber ich habe diese Woche z.B. auch erlebt am Beispiel der wirklich erwähnenswerten Besprechung von Muomez, dass es Bücher gibt, deren Erscheinungsdatum älter ist, das aber offensichtlich mehrere Leser auch lange danach noch bewegt. Danke für Deine nachdenkliche Zusammenfassung – da ist Stoff zu weiterer Diskussion drin (Das weiße Band muss ich auch noch verdauen). LG Birgit
Liebe Birgit,
bist Du aber schnell. Kaum veröffentlicht, gerade ein paar Schlucke getrunken, schon lese ich Deinen Kommentar! Auf „Tonio“ stoße ich ja seit langem immer wieder. Du hast darüber ja auch schon geschrieben. Es ist doch wirklich schön (auch wenn der Anlass des Buches natürlich überhaupt nicht so ist), dass immer wieder Leser und Blogger einen Titel entdecken, darüber schreiben und ihn empfehlen und so eine ständige Erinnerung in Gang setzen, unabhängig von den neuesten Veröffentlichungen. — „Das weiße Band“ ist im Kino völlig an mir vorbeigegangen. Umso beeindruckter bin ich am letzten Sonntag gewesen, über diesen Film mit den unglaublichen Bildern – wer traut sich heute schon, so lange eine Kameraeinstellung beizubehalten? – und der mindestens ebenso unglaublichen Geschichte. Und mir ist auch viel über das Verhalten meiner Eltern, die Kinder dieser im Film gezeigten Kinder sind, klar geworden. Die Auswirkungen sind also sehr, sehr weitreichend, was ja auch Literatur immer wieder beweist.
Nun wünsche ich Dir einen schönen Sonntagabend, Claudia
Liebe Claudia, war gerade eben online und sehe im Reader Stricksocken vor dem Fernseher – da musste ich reinschauen 🙂
Das weiße Band – ja, Deine Einschätzung teile ich, das ist auch Teil unseres Erbes und hat Nachwirklungen. So, jetzt aber Socken hoch 🙂 Dir einen schönen Abend beim Lesen oder was auch immer. LG Birgit
Liebe Birgit,
ich glaube, das Bild ist nicht so gut, wenn Du meinst, es sei der fernseher, denn es soll eigentlich, neben den Stricksocken, meinen Laptop zeigen mit einem Bild der Hundejungs… Muss ich vielleicht noch eimal eines bei besseren Lichtverhältnissen knipsen…
Nun aber wirklich einen schönen Sonntagabend, Claudia
Doch, beim genauen Hinsehen erkenne ich die Tastatur. Das liegt nicht am Bild, sondern daran, dass ich meine Leselupe verlegt habe 🙂
Hallo die Damen!
Da findet sich sicherlich beim Bloggen ein Zwiespalt vor, wenn es um ältere Bücher, ausgeklammert sei klassische Literatur, geht. Denke, dass viele Blogger stets ihre Besucherzahlen im Kopf haben. Da stellt man sich vielleicht doch die Frage: Inwiefern kurbelt die Besprechung einer nicht mehr ganz so im medialen Fokus stehenden Lektüre meine Leserschaft an? Ich zumindest bin mir mittlerweile nicht (mehr) zu schade, Rezensionen anzufertigen, die wahrscheinlich angesichts des unzeitgemäßen Themas eher vorbeigehen.
Grüße
Muromez
Sehr vernünftig, lieber Muromez, es müssen ja nicht alle das Gleiche besprechen. Ich lese auch gern Bücher, die nicht erst gestern frisch ausgelegt wurden, und habe dabei schon einige sehr feine Entdeckungen gemacht. Der Vorteil, wenn mehrere das gleiche Buch gelesen haben, ist natürlich, dass man sich dann auch darüber austauschen kann, aber das trifft ja auch ältere Bücher genauso zu wie auf Neuerscheinungen.
Lieber Muromez,
es ist doch gerade bei dem Buch, das Du besprochen hast, gut, dass immer wieder Blogger daran erinnern und so die Erinnerung an das Buch wachhalten. Gerade „Tonio“ wird ein Buch sein, das immer „aktuell“ ist, weil es nun einmal um ganz wesentliche Fragen des Menschseins geht, ähnliches gilt ja auch für die „Idalle mit ertrinkendem Hund“. Und die aktuellen Bücher alle besprechen zu wollen, die gerade erschienen sind, klappt ja angesichts der ewigen Zeitnot und dem lästigen Broterwerb eher nicht. Aber, Petra hat auch recht, wenn sie schreibt, dass es einfach toll ist, wenn man sich mit mehreren wirklich buch- und inhaltskundigen Lesern über einen Roman austauschen kann. Ich erinnere mich gerne an die durchaus kontroverse Diskussion um die „Quasikristalle“.
Viele Grüße, Claudia
Wie schön, dass du auch dabei bist, Claudia! Ja, die Bloglandschaft bildet langsam eine ernsthafte Alternative zum gängigen Zeitungsfeuilleton,finde ich. Man wird für soviele Dinge interessiert und sensibilisiert, das ist großartig. Manchmal, mir geht es jedenfalls so, weiß man allerdings fast gar nicht, wohin mit dem ganzen Input. 😉
Liebe Sophie,
ja, es gibt, allen Unkenrufen zum Trotz, wirklich sehr, sehr tolle und ansprechende Blogs, auf denen ich mehr Zeit verbringe, als mit dem Zeitungslesen. Und verführt werde ich auch ständig 😉 zu irgendwelchen bisher völlig unbeachteten Büchern. Das ist schon toll.
Einen schönen Wochenstart und ganz viel aufregende und anregende Beiträge wünscht Claudia
Find ich super, dass Du diesen Sonntag ebenfalls mit dabei bist 🙂
Um ein Haar hätte ich Deinen Beitrag übersehen. Jetzt schau ich mir aber erst einmal Deine Beitragsvorschläge etwas genauer an.
LG, Katarina 🙂
Liebe Katarina,
Deine Sonntagsleserin-Idee mochte ich ja beim ersten Lesen. Dann habe ich noch gezögert mitzumachen, weil gerade der Schreibtisch mit anderen Arbeiten so unübersichtlich voll lag – und nun hat es geklappt. Ich merke wirklich, dass ich auch auf den Blogs noch einmal anders, genuer, intensiver lese, wenn ich im Hinterkopf habe, dass es ja noch einen Sonntagsbeitrag geben soll. Und das hat dann auch wieder eine neue Qualität.
Viele Grüße, Claudia
Liebe Claudia,
ich danke dir für die Erwähnung, aber natürlich auch für deinen ganz besonderen und hochspannenden Blick auf die Blogwoche. Durch diesen Blick bin ich noch einmal auf Artikel aufmerksam geworden, die mir ansonsten wohl entgangen sind.
Liebe Grüße und WuffWuff an die Hundejungs
Mara
Liebe Mara,
Du hast ja die Hundejungs auf dem Laptop erkannt! (Hundejungs laden wohl mehr zum Kommentar ein als unterschiedliche Stricksocken :-).) Mal schauen, was die Idee der Sonntagsleserin noch so bringt, aber ich finde es auch immer interessant, bei den anderen zu gucken, was sie so bewegt hat in der Woche.
Wuffwuff auch an Bandit, das tollste Hundefotomodell, Claudia
Eine schöne Bloglese – lieben Dank fürs Erwähnen : )
🙂 !