am Rande notiert

Kam ein Blogstöckchen geflogen…

Blog-StöckchenErst in den letzten Tage habe ich auf irgendeinem Blog mit ganz anderem als literarischem Inhalt gelesen, dass es Blogstöckchen gibt. Aha, wieder etwas Neues gelernt. Und ehe ich es mich versehe, hat Birgit von Sätze und Schätze  ihr Stöckchen schon in meine Richtung geworfen, elegant aufgeschnappt von meinem gewandten Assistenten Linus (der Schnee täuscht, den gibt es hier „Tief im Westen“ bisher zumindest nicht). Nun geht es aber los:

 

Welches Buch liest Du momentan?

Im Moment lese ich auch mal wieder mehrere Büchern mehr oder weniger gleichzeitig:

Zadie SmithIm Roman folge ich Zadie Smith nach „London NW“ und lerne dort vier ehemalige Schulkameraden kennen, die nun als Anfang 30-Jährige ihre ganz unterschiedlichen Lebenswege zeigen, aber auch darüber nachdenken, ob es gute Wege gewesen sind, ob sie zufrieden sind.

MartynkewiczZusätzlich lese ich schon seit ein paar Wochen an Wolfgang Martynkewicz „Das Zeitalter der Erschöpfung“, in dem er der „Überforderung des Menschen durch die Moderne“, also dem Wechsel vom 19. ins 20. Jahrhundert, nachgeht und dabei interessante und erschreckende Parallelen zu unserer aktuellen Diskussion um Überforderung und Burn-out aufdeckt.

CyrulnikUnd dann bin ich noch auf Boris Cyrulniks Biografie „Rette dich, das Leben ruft“ aufmerksam geworden. Cyrulnik ist französischer Neurologe und Psychiater und ein angesehener Resilienzforscher. Sein eigenes Leben hat keineswegs von Beginn an unter einem glücklichen Stern gestanden, denn er  hat sich als sechsjähriger Junge in Bordeaux in der Synagoge der Deportation entziehen können und so mit Glück den Holocaust überlebt.

Warum liest du das Buch? Was magst du daran?

Zadie Smiths Romanthema hat mich einfach sehr interessiert: Wie lebt es sich als Einwanderer im armen Stadtrand von London?  Was bewegt die Menschen, welche Ziele haben sie, was erwarten sie von ihrem Leben? So ganz im Reinen bin ich mit dem Roman nach der Hälfte noch nicht, mal schauen, was ich nach der zweiten Hälfte sage.

Wolfgang Martynkewicz schreibt eine Kulturgeschichte der Erschöpfung, indem er das Phänomen in verschiedenen Bereichen, also in literarischen Zeugnissen, in Werken der Malerei, in Biografien bekannter Personen der Zeit und in der Medizin, aufzeigt und untersucht. Dabei gibt es viele interessante Einblicke in Diskussionen, die wir heute auch führen, die aber offensichtlich schon hundert Jahre alt sind. Es finden sich Diät- und Sportpläne, die merkwürdig aktuell sind, die Bedeutung der Arbeit als die Gesundheit förderndes Instrument wird dargestellt, aber auch Diskussionen zur Eugenik, die wir eher der Zeit des Dritten Reichs zuschreiben – und die heute auch wieder, wenn auch zögerlich, geführt werden. Das ist nicht nur gut geschrieben, sondern auch sehr interessant und spannend.

Bei Cyrulnik bin ich nach den ersten Seiten gespannt, wie er aus diesem Trauma heraus seinen Lebensweg gefunden hat und hoffe, dass er dabei auch etwas über die Resilienzforschung berichtet, also erklärt, über welche  Fähigkeiten Menschen verfügen, die sich auch in ungünstigsten Belastungen irgendwie zurechtfinden und psychisch gesund bleiben. Vielleicht findet sich hier sogar ein Anknüpfungspunkt zu Zadie Smiths Roman, denn die Protagonisten stammen ja aus armen Familien, die zum großen teil eingewandert sind und starten so unter erschwerten Bedingungen in ihre Leben.

Wurde dir als Kind vorgelesen? Kannst du dich an die Geschichten erinnern?

Ja, abends vor dem Einschlafen (fast?) immer eines von Grimms Märchen. Einige mochte ich sehr (Hänsel und Gretel, Aschenputtel, Dornröschen), einige mochte ich überhaupt nicht, weil sie mich sehr ängstigten.

Gibt es einen Protagonisten oder eine Protagonistin, in den/ die du mal regelrecht verliebt warst?

Nein, kann ich mich nicht erinnern.

In welchem Buch würdest du gerne leben?

Heute kann mich da keines mehr reizen, aber als Jugendliche hätte ich mir vielleicht eine Reise in ein Buch vorstellen können: erst zu den Kindern aus Astrid Lindgrens Büchern, später dann in Karl Mays Romane aus dem Wilden Westen, vielleicht sogar in die Welt aus den Südstaatenromane, die auch (neben Angélique) verschlungen habe. Was für einen verkitschten Mist ich so als Jugendliche gelesen habe!

Ein Lieblingssatz aus einem Buch?

„Ich probiere Geschichten an wie Kleider.“ (Max Frisch: Mein Name sei Gantenbein)

Lange Wellen treiben schräg gegen den Strand, wölben Buckel mit Muskelsträngen, heben zitternde Kämme, die im grünsten Stand kippen.“ (Uwe Johnson: Jahrestage. Aus dem Leben von Gesine Cresspahl, erster Satz aus Band 1)

 

So, nun zerre ich ein wenig mit Linus am Stöckchen, damit es auch weiterfliegen kann. Gemeinsam werfen wir es weiter zu Mara (Bandit wird es schon fangen 🙂  ) von buzzaldrins  und zu Annas buchpost.

Ich freue mich schon auf Eure Stöckchenbeiträge!

16 Kommentare

  1. Liebe Claudia,
    da hast Du ja einen sehr schönen Fänger abgebildet…Bravo, gibt ein Leckerli 🙂
    Aber Spaß beiseite: Sehr interessant zu lesen, was Du derzeit liest – Zadie Smith kenne ich, die beiden anderen Bücher völlig unbekannt, aber wäre wohl auch Lesestoff für mich. Und die Zitatenauswahl freut mich ungemein – die Jahrestage von Uwe Johnson, ich möchte sie mal wieder lesen….

    • Liebe Birgit,
      ja, die Jahrestage! Ein paar Sommerferien über habe ich mir eingebildet, die Bände wieder zu lesen, weil sie mein absolutes Highlight sind, aber dann habe ich es doch nie geschafft. Ich habe sie zum Studienende und kurz danach gelesen, als ich richtig viel Zeit hatte. Eine wirklich tolle Lektüre!
      Und von den anderen Werken werde ich ja im Laufe der nächsten Wochen berichten, dann kannst Du schauen, ob Dir etwas besonders zusagt.
      Viele Grüße, Claudia

      • Für die Jahrestage musste ich mir seinerzeit auch eine zweiwöchige Grippe „gönnen“ – aber es hat sich gelohnt, als der Kopf frei war, bin ich in das Buch eingetaucht. Wobei bislang alles, was ich von Johnson in die Finger bekam, einfach gut war. Ja, auf Deine Besprechungen freue ich mich sehr! Horizonterweiterung!

      • Ich finde ja toll, noch einen Johnson-Fan gefunden zu haben!!! (Da haben wir dann das schlechte Angélique-Image mal gleich wieder aufgearbeitet!) Ich finde Johnson ist einer der wenigen Autoren, die über eine ganz, ganz tolle Sprache verfügen und finde seine Romane, die ja alle in einer eigenen Welt mit immer gleichen Figuren angesiedelt sind, einfach klasse.

      • Vorbehaltlose Übereinstimmung – seine Sprache mag ich auch sehr. Ich muss nachher mal im Regal kramen – ich habe ein Buch „Leaving Leipzig last week“ (oder so ähnlich) – da schick ich dir noch ein, zwei Zitate. Es gab einmal von den Jahrestagen einen Mehrteiler im TV, den fand ich übrigens auch nicht so schlecht für eine Literaturverfilmung…(PS: An Angelique kommt er in puncto Verworfenheit natürlich nicht ran, der Uwe…)

      • 🙂 🙂 Was Du so alles vergleichst! Jedes Buch hat halt so seine Zeit. — Die Verfilmung hat mir auch gut gefallen. Hach, ich müsste ja doch wirklich wieder einmal die „Jahrestage“ lesen und natürlich auch die anderen Romane. Vielleicht wird es langsam Zeit für eine Grippe…

      • ach die Jahrestage, wie schön. Da braucht man Zeit, da hab ich mir die Zweitlektüre für gaaanz später mal vorgenommen – mit dem Adressbuch daneben. Und bis dahin immer mal wieder Johnson-Sätze lesen wie ‚Aber Jakob ist immer quer über die Gleise gegangen.‘ aus den Mutmaßungen über Jakob.
        Liebe Grüße, Kai

      • Lieber Kai,
        willkommen in der Johnson Fangruppe! Bald sind wir genung, um einen Verein zu gründen :-).Das ist natürlich auch eine Idee, die „Jahrestage“ gaaanz später noch einmal zu lesen. Und, du hast recht, immer mal wieder blättern und in der wunderschönen Sprache versinken! Wie toll, dass ein Blogstöckchen einen kleinen Johnson-Plausch auslöst.
        Viele Grüße, Claudia

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  3. Pingback: Blogstöckchen | buchpost

  4. Wow, interessante Bücher, die Du gerade liest. Und um die Lektüre von Zadie Smith beneide ich Dich gerade sehr. Du wirst doch berichten…? Liebe Grüße! Andrea

    • Liebe Andrea,
      ja, natürlich werde ich berichten. Und nachdem ich gestern noch ein wenig kritisch war mit Smiths Roman, habe ich mich gestern Abend beim Weiterlesen völlig in ihn verguckt. Kann ich jetzt schon empfehlen.
      Viele Grüße, Claudia

  5. „Angélique“-Bücher habe ich früher auch gelesen. Das gehört zum Erwachsen werden dazu und man muss sich dafür überhaupt nicht schämen 🙂

    Schönes Wochenende
    buechermaniac

    • Oh, Du auch?! Bei den vielen sehr patenten Bloggeiennen, die sich zu dieser „Schandtat“ ihrer Jugend bekennen, fühle ich mich nun schon viel besser :-). Irgendetwas scheinen diese Romane wohl zu haben, dass sie so viele Herzen von jugendlichen Lesern erwärmt haben.

      Ich wünsche Dir auch ein schönes Wochenende (mit viel weniger regen, als wir hier haben), Claudia

  6. Pingback: (Die Sonntagsleserin) KW #05 – Januar/Februar 2014 | Bücherphilosophin.

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