Lesen, Romane

Fast schon das Ende des Jahres: Mein Lesejahr 2019

Wenn ich mein Lesejahr Revue passieren lasse, dann lassen sich zunächst einmal paar Zahlen festhalten: Gelesen habe ich zwar ein paar Bücher mehr, auf dem Blog berichtet habe ich jedoch nur über 20 Romane und Sachbücher: Der ganz normale Alltag hat wohl in diesem Jahr mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich gedacht hätte. Wenn ich den kommenden Artikel zur „Digitalen Ethik“ von Sarah Spiekermann mitrechne, dann ist mit 10:10 die Geschlechterverteilung meiner Lektüren – ohne dass ich es darauf angelegt hätte – ausgeglichen. Und aus den Indie-Verlagen stammen immerhin auch 9 Titel.

Ein neuer Leseschwerpunkt hat sich auf dem Blog ergeben, weil ich neugierig bin, wie die Digitalisierung in die Erzählungen einzieht, wie die Wissenschaft sich damit auseinander setzt. In der fiktionalen Literatur wird die Digitalisierung bisher eher als Dystopie erzählt, dann, wenn ein problematischer Aspekt in die Zukunft fortgeschrieben wird. Aber es gibt ja auch auch Berit Glanz´ „Pixeltänzer“ , einen Roman aus der Gegenwart, der das Widerstandspotential der Digitalisierung und der dazu gehörenden Arbeitsprozesse auf spannende Weise auslotet.

Und was ist sonst noch in Erinnerung vom Lesejahr 2019? Anke Stellings „Schäfchen im Trockenen“ habe ich zu Beginn des Jahres gelesen, die Diskussion in meinem Literaturkreis ist sehr kontrovers ausgefallen. Den Preis der Leipziger Buchmesse hat sie dann im März bekommen. Den deutschen Buchpreis zur Frankfurter Buchmesse erhielt Saša Stanišić mit „Herkunft“, ein Buch, das hier noch im Regal der ungelesenen Bücher steht (ja, es gibt tatsächlich ein Regal der ungelesenen Bücher, allerdings eines mit Freiflächen, auf dem auch Bücher mit schönen Covern zur Zierde ausgestellt werden können :-). Und das ist seit der letzten Woche auch tipp-topp sortiert, auch wenn es Unkenrufen nach so leicht nicht geht). Von der Shortlist habe ich nur Norbert Scheuers „Winterbienen“ gelesen (vielleicht kommt dazu noch ein Beitrag), ein Roman, der mich sehr beeindruckt hat. Und beeindruckt hat der Roman auch alle anderen Leser meines Literaturkreises.

„Beeindrucken“ ist dann auch die Kategorie, die ich in diesem Jahr als Aufhänger für meinen ganz persönlichen Rückblick gewählt habe. Zwei Autorinnen und ein Autor gab es in diesem Jahr, die mich mit ihren Geschichten, ihren Erzählarrangements und ihrer Sprache ganz besonders in ihren Bann gezogen , die mich also besonders beeindruckt haben. Das sind Autoren, von denen sicherlich noch der eine und der andere Roman auf meinem Lesezettel landen werden.

Im Februar mogelte sich Richard Russos Erzählband „Immergleiche Wege“ aus dem Regal der ungelesenen Bücher auf das Lesesofa. Erzählungen sind ja eigentlich nicht so mein Lieblingsgenre. Aber Richard Russo schreibt seine kurzen Geschichten so lebendig, zeigt im Kleinen das große Ganze und lässt so die Leben der verschiedenen Protagonisten lange im Gedächtnis bleiben: Die Professorin Janet Moore, die einen Studenten bei seiner Hausarbeit beim Abschreiben erwischt hat und die sich nun an ein wichtiges Ereignis ihrer Studentenzeit erinnert. Den emeritierten Professor Nate, der auf seiner Reise nach Venedig nicht nur mit seinem Bruder hadert, sondern auch mit seinem unprofessionellen Umgang mit der autistischen Studentin Opal Mauntz. Die Kommentare der von Russo schon infizierten Blogger zu meinem Artikel haben mich dann auch gleich in den Sommerferien zum Roman über Empire Falls, zu den „Gottverdammten Träumen“ greifen lassen.

Im März habe ich A. L. Kennedys Roman „Süßer Ernst“ gelesen und habe mich versenkt in die Geschichte um das an einem einzigen Tag immer wieder verschobene Treffen von Meg und John. Schon alleine die Geschichte, wie die beiden sich kennen lernen, ist spektakulär: John, der als Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit in einem Ministerium die Sprache sehr zielorientiert nutzen muss, bietet in seiner Freizeit des außergewöhnlichen Service an, Liebesbriefe zu schreiben. Meg ist eine seiner Kundinnen, eine, die ihm auch zurückschreibt. So entspinnt sich eine kleine Korrespondenz zwischen ihnen. Und Meg ist neugierig, wer dieser Typ ist, der unbekannten Frauen solche schönen Liebesbriefe schreiben kann. Also fängt sie ihn vor den Postfächern ab. Nun haben sie sich für diesen Tag, den 14.4.2015 verabredet und Kennedy begleitet sie in ihren Stunden vor dem Treffen und in den vielen Stunden, die vergehen, bis sie sich endlich treffen werden. Und zeigt dabei die beruflichen, die gesellschaftlichen und die politischen Zumutungen der modernen Welt. Das ist ein toller Roman, der Lust macht, noch viel mehr von Kennedy zu lesen.

In den Sommerferien ist dann Terézia Moras „Der einzige Mann auf dem Kontinent“ mit in den Urlaub gereist. Von ihr habe ich ja im letzten Jahr den Erzählband (wieder ein Erzählband als Einstieg!) „Die Liebe unter Aliens“ gelesen und beschlossen, auch die Romane noch nachfolgen zu lassen. „Der einzige Mann“, das Darius Kopp, der mutterseelenallein in seinem Büro in Berlin sitzt und von dort aus den Vertrieb drahtloser Netzwerke für das US-amerikanische Unternehmen „Fidelis“ betreibt. Mehr schlecht, als recht, denn die Konkurrenz ist immer billiger. Und besonders fleißig ist Darius angesichts der vielen Möglichkeiten, sich durch Recherchen im Internet von der Arbeit ablenken zu lassen, auch nicht. Im Sommer des Jahres nimmt er dann auch, ohne ihn anzumelden, einen Monat Urlaub und verbringt die Zeit essend und trinkend mit seinem Kumpel Juri. Und dann ist da ja auch noch Flora, seine Frau, die er zwar als Liebe seines Lebens bezeichnet, die aber mehr und mehr an seiner Unzuverlässigkeit verzweifelt. Und diesem unfassbaren Darius, den ich eigentlich manchmal wegen seiner Naivität schütteln wollte, über den ich aber auch immer wieder schmunzeln musste, folgte ich gespannt auf seinem Weg durch den Herbst, der auch, aber nicht nur, wegen der Finanzkrise 2008 schnurstraks zu Darius Verderben führt.

Das alles erzählt Terézia Mora so elegant, immer wieder zwischen der Innen- und Außenperspektive Darius´ wechselnd, so humorvoll und entlarvend, dass ich natürlich die anderen beiden Romane dieses Zyklus um Darius Kopp („Das Ungeheuer“ (2013), „Auf dem Seil“ (2019)) auch lesen werde: genau das richtige Vorhaben für diese Weihnachtsferien. Ich werde berichten.    

Übrigens: Wer sich wundert, wie bei mir die Bücher aussehen und sich fragt, seit wann ich die Papierecken abkaue: Ich war es nicht! Der Übeltäter heißt Paulchen, war zum Zeitpunkt seiner Tat knapp 1 Jahr alt und hat ganz offensichtlich in diesem Sommer seine besondere Liebe für die Bücher entdeckt… Jedenfalls für den Stapel, der mit in den Urlaub reisen sollte.

Ich freue mich also auf gleich zwei Romane von Terézia Mora – und die vielen anderen guten Geschichten, die das Jahr 2020  bestimmt bringen wird.  

Und euch wünsche ich schöne Weihnachtsfeiertage und einen guten Rutsch ins Neue Jahr!

12 Kommentare

  1. Liebe Claudia,
    ein besinnliches und frohes Weihnachtsfest sowie einen guten Rutsch ins Jahr 2020 wünscht dir
    Susanne

    • Vielen lieben Dank, liebe Petra. Für Lesestoff ist auf absehbare Zeit gesorgt, ich habe ja das Refal aufgeräumt und nun einen ungetrübten Blick auf die viele, vielen ungelesenen Bücher. Und die Begehrlichkeiten auf neue Titel nehmen ja nicht ab. Dir auch schöne und erholsame Feiertage – und einen guten Start ins neue Jahr. Und ganz viel Gesundheit!

  2. Schöne Titel sind dir da in Erinnerung geblieben, die ich auch alle sehr mochte (bis auf Pixeltänzer, das kenne ich bisher nicht). Nun rutsche gemütlich und mit viel Lesestoff versehen ins Neue Jahr. Vielleicht bringt dies ja mal wieder eine Begegnung von uns beiden ein. Sei lieb gegrüßt, Petra

    • Liebe Petra,
      ich wünsche dir auch viele gute Lektüren, jetzt und im kommenden Jahr. Und wenn es bei den offiziellen Terminen nicht klappt, müssen wir vielleicht einfach mal einen eigenen Termin ausmachen und uns „auf halber Strecke“ treffen. Vielleicht auch mit den beiden Bloggerinnen vom „Debüt“ aus Essen.
      Liebe Grüße und einen guten Rutsch, Claudia

  3. Hallo Claudia,
    das ging mir ähnlich wie dir, dass dieses Jahr die Zeit für‘s Bloggen anscheinend knapper bemessen war als in den Jahren davor. Und deine Schwerpunktsetzung Digitalisierung etc. – d.h. manchmal suchen wir gar nicht bewusst nach Schwerpunkten, wir werden auch von ihnen gefunden – ist ja wieder ganz nah dran an der aktuellen Debatte. Wir führen beispielsweise seit diesem Jahr die Klassenbücher elektronisch, der Nutzen wird sehr unterschiedlich wahrgenommen.
    Ich bin jedenfalls sehr froh über deinen Blog, der uns literarisch im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Laufenden hält.
    Dir einen prima Jahreswechsel, eine korrekturfreie Zeit und immer ein paar ungelesene Bücher in Reichweite. Liebe Grüße, Anna

    • Liebe Anna,
      da seid ihr bei den elektronischen Klassenbüchern ja schon einen Schritt weiter. Bei uns scheiterten die daran, dass es nicht flächendeckendes WLAN in den Schulgebäuden gibt. Und ein Gebäude ist immer noch nicht an die neue Zeit angeschlossen. 🙂 🙂 :-).
      Bücher gibt es genug, die Sonne scheint, der Klausurberg schon vor den Ferien abgetragen: ich genieße die frei einteilbare Zeit auf jeden Fall. Und so wünsche ich dir auch: gute Lektüren, schöne Spaziergänge und einen einen guten Start ins neue Jahr. Auf dass wir uns ganz oft wiederlesen.
      Viele Grüße, Claudia

  4. Komm auch du gut und gesund ins neue Jahr, liebe Claudia! Ich freue mich schon mal vor auf deine Leseanregungen 2020. Liebe Grüße!

    • Dir auch einen guten Start ins neue Jahr. Und ich freue mich auf viele schöne Fotos und deine tollen Texte dazu.
      Liebe Grüße ins den Norden, Claudia

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.