Alle unter Richard Russo verschlagworteten Beiträge

Fast schon das Ende des Jahres: Mein Lesejahr 2019

Wenn ich mein Lesejahr Revue passieren lasse, dann lassen sich zunächst einmal paar Zahlen festhalten: Gelesen habe ich zwar ein paar Bücher mehr, auf dem Blog berichtet habe ich jedoch nur über 20 Romane und Sachbücher: Der ganz normale Alltag hat wohl in diesem Jahr mehr Zeit in Anspruch genommen, als ich gedacht hätte. Wenn ich den kommenden Artikel zur „Digitalen Ethik“ von Sarah Spiekermann mitrechne, dann ist mit 10:10 die Geschlechterverteilung meiner Lektüren – ohne dass ich es darauf angelegt hätte – ausgeglichen. Und aus den Indie-Verlagen stammen immerhin auch 9 Titel. Ein neuer Leseschwerpunkt hat sich auf dem Blog ergeben, weil ich neugierig bin, wie die Digitalisierung in die Erzählungen einzieht, wie die Wissenschaft sich damit auseinander setzt. In der fiktionalen Literatur wird die Digitalisierung bisher eher als Dystopie erzählt, dann, wenn ein problematischer Aspekt in die Zukunft fortgeschrieben wird. Aber es gibt ja auch auch Berit Glanz´ „Pixeltänzer“ , einen Roman aus der Gegenwart, der das Widerstandspotential der Digitalisierung und der dazu gehörenden Arbeitsprozesse auf spannende Weise auslotet. Und was ist sonst …

Richard Russo: Diese gottverdammten Träume (#backlistlesen 3)

In Empire Falls hat Richard Russo diesen außergewöhnlichen Roman angesiedelt, für den er 2002 den Pulitzer Preis bekommen hat – und damit Jonathan Franzens „Korrekturen“ auf die Plätze verwies. Empire Falls, das ist eine Kleinstadt in Maine, die – ganz anders, als es der stolze Name verspricht – vor sich hinsiecht, seit die Familie Whiting ihre Textilfabriken verkauft haben, die dann umgehend geschlossen wurden. Arbeitsplätze gingen verloren, viele Bewohner zogen weg, den Jobs hinterher. Die Menschen, die geblieben sind, versuchen, den schleichenden Verfall ihrer Stadt mehr schlecht als recht zu bekämpfen, fechten ihre großen und kleinen Kämpfe miteinander aus und gehen ihren „gottverdammten Träumen“ von ein bisschen mehr Glück im Leben nach. „Bargen nicht alle Menschen auf der Welt die unmöglichsten Wünsche in ihren Herzen, Wünsche, an denen sie stur festhielten entgegen aller Vernuft, Plausibilität und sogar entgegen dem Verfließen aller Zeit, hartnäckig und ausdauernd wie geschliffener Marmor?“ Einer von ihnen ist Miles Roby, Geschäftsführer des Diners „Empire Grill“, der wiederum zum Immobilienbesitz von Francine Whiting gehört. Miles fragt sich, warum sie, mittlerweile eine alte …

Richard Russo: Immergleiche Wege

Vier Erzählungen sind versammelt in diesem Band, vier Erzählungen von Protagonisten in den mittleren Jahren, die darüber nachdenken, wie es zu den Schrammen, Kratzern und Wunden gekommen ist, die sie im Laufe des Lebens erhalten haben, manchmal durchaus mit eigenem Zutun. Es sind alles keine wirklichen Helden, die Russo uns vorstellt, keine Figuren, die sich in schwierigsten Situationen bewähren müssen und daran wachsen und reifen. Es sind eher die sprichwörtlich ganz normalen Menschen, die in ihrem ganz normalen Leben gezeigt werden, in Leben, die so verlaufen sind, wie auch die Leben der Leser verlaufen können. Alles ganz normal also – und doch zeigt sich in jedem der Geschichten nach und nach ein persönliches Drama. Die Professorin Janet Moore sitzt in ihrem Büro auf dem Campus und ihr gegenüber der Student James Cox, der einen Essay mit überzeugender Argumentation abgegeben hat – der aber, daran erinnert Janet sich, vor ein paar Jahren schon einmal eingereicht worden ist. Die alte Arbeit hat sie gesucht, vier Stunden hat es sie gekostet, sich durch die archivierten Texte in die …