Eine Gastrezension von FelixderHund
Das ist ein Buch nach meinem Geschmack. Endlich einmal stolpert der Hund in der Literatur nicht als metaphorisch-symbolisch-allegorisches Bild für diverse verstörende Wesenszustände des Menschen durch die Geschichten, sondern wird gezeigt, wie er wirklich ist: Energisch, empathisch, kraftvoll, verspielt – und als ausgezeichneter Chef und Menschenführer.
Die Geschichte ist die: Der namenlose Ich-Erzähler hat seinen Job hingeschmissen, weil ihm sein Chef mit seinen herunterputzenden dummen Bemerkungen so auf die Nerven gegangen ist, dass er es einfach nicht mehr ertragen hat. Da bekommt er von einem Bekannten den Tipp, sich doch bei Papenburger zu bewerben, die hätten jetzt einen Hund als Chef:
„Quereinsteiger. Haben ewig lang gesucht. Mit Headhunter und so weiter. Und sein Profil hat wohl am besten gepasst.“
Also schickt der Ich-Erzähler seine Bewerbung an die Papenburger Personalabteilung, schreibt als Hobby von seiner Vorliebe für ausgedehnte Spaziergänge – und bekommt prompt eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Und bei diesem Gespräch werden schon die Führungskompetenzen des Chefs klar: Statt den Bewerber stundenlang warten zu lassen, damit auch der Letzte merkt, wie beschäftigt und wichtig er ist, statt den Bewerber durch ein psychologisch ausgeklügeltes Assessment-Center auf Herz und Nieren zu prüfen, begrüßt er ihn sofort, streckt ihm die Pfote zur Begrüßung entgegen und hat sein ganz eigenes Verfahren, um zu einer zügigen Beurteilung über die Eignung des Bewerbers zu kommen:
„Seine tiefschwarze, feucht glänzende Nase zuckte nach links und rechts, zuckte nach oben und nach unten, während ich seine Pfote schüttelte. Er schloss ein paarmal für wenige Sekunden die Augen und wedelte mit dem Schwanz, der hinten aus der Hose hervorragte und noch dumpf gegen das Stuhlbein schlug, als wir schon am Tisch in seinem Büro Platz genommen hatten.“
Und der Chef der Hund stellt den Erzähler tatsächlich sofort ein, allen personalwirtschaftlich üblichen Gepflogenheiten zum Trotz. Ich sage ja: Wer es draufhat, der braucht den ganzen pseudo-psychologischen Firlefanz nicht. Einmal die Nase in die Luft gestreckt und schon kann hund eine ganz zuverlässige Entscheidung treffen. Der Ich-Erzähler ist gänzlich von den Socken, als er vom Chef hört, er könne Montag anfangen:
„Wie, das war´s schon?“, fragte ich. „Wollen Sie nicht wissen, was meine größte Schwäche ist und wo ich mich in fünf Jahren sehe?“
Er hatte sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt, um sich lang und genüsslich mit der Pfote hinter dem Ohr zu kratzen.
„Kommen Sie einfach am Montagmorgen um neun“, sagte mein neuer Chef der Hund. „Wir werden uns weiter beschnuppern und besser kennenlernen. Mal sehen, wo wir dann in fünf Jahren sind.“
Schon beim Vorstellungsgespräch bekommen wir Leser also einen kleinen Einblick in die betriebswirtschaftlich völlig unorthodoxen, aber doch so vernünftigen Führungsqualitäten des Chefs des Hunds. Und von unorthodoxen Managementtools hat er eine Menge auf Lager: den Morgen beginnt er mit einer Konferenz auf der kleinen Rasenfläche vor dem Bürogebäude mit Kaffee und Trockengebäck und Stöckchenwerfen als sehr gut geeignete Methode des Teambuildings, bei Meetings im großen Konferenzsaal kam er meistens zu spät, ging erst einmal bei allen Teilnehmern vorbei, suchte sich einen Platz unter dem Tisch zwischen den Füßen der Kollegen und lag bei besonders lang dauernden Meetings auch mal auf dem Rücken, manchmal jaulte er gar im Schlaf laut auf. Nach dem Meeting unterzeichnete er, was die Kollegen beschlossen hatten. Montagsmorgens raste er immer durch alle Büros, um sich von allen Mitarbeitern abklatschen zu lassen, so freute er sich, sie alle nach dem Wochenende wiederzusehen. Und wenn in einem Monat gute Zahlen geschrieben werden konnten – und das war am Anfang der Zugehörigkeit des Ich-Erzählers bei Papenburger meistens der Fall – ließ der Chef der Hund ein Weißwurstfrühstück springen. Dann standen alle Kollegen an Bistrotischen zusammen und sprachen auch über andere Sachen als die Arbeit. Diese Feedback-Gespräche waren dem Chef besonders wichtig:
„Ja, mein Chef der Hund wusste, wie er mit seinen Mitarbeitern umgehen musste, er wusste, wie er sie dazu motivierte, etwas zu tun, das gut für sie war und deshalb auch der Firma guttat.“
Und diese besonderen Fähigkeiten des Chefs des Hunds kamen den Kollegen in der Abteilung besonders zugute, als der Unternehmenserfolg plötzlich ausblieb. In zähen Verhandlungen mit der Vorstandsetage konnte er verhindern, dass der übliche Maßnahmenkatalog, nämlich Stellenstreichungen, auch seine Abteilung erreichten. Er sparte an anderen Stellen – und war damit sehr erfolgreich. Dass das Neider auf den Plan rief, ist ja fast schon klar…
Ihr merkt schon: Ich kann die Geschichte vom Chef dem Hund nur empfehlen, auch wenn sie so traurig endet, dass Ihr beim Lesen Taschentücher bereithalten solltet. Und den Betriebswirtschaftlern an den Universitäten und den vielen Chef-Misanthropen empfehle ich die Managementstrategien des Chefs des Hunds ausdrücklich; vielleicht könnte alles dann mal ein bisschen menschlicher(!) laufen. Der Visualisierung – ist ja ein ganz wichtiges Thema in allen Meetings und Konferenzen – dienen darüber hinaus die tollen Illustrationen von Andreas Jeutter.
Christian Kortmann (2015): Mein Chef der Hund. Mit Illustrationen von Andreas Jeutter, München/Berlin, Piper Verlag
Wie das Vorstellungsgespräch des Headhunters mit dem Chef dem Hund gelaufen ist, der kann sich das hier anschauen.
Der Hund als Menschenführer? Ich glaub, mein Schwein pfeift 🙂
Das macht mich jedoch sogar als Katzennärrin neugierig…
So erzählt es uns Christian Kortmann. Und Felix findet das – aus gegebenem Anlass (und vor allem: aus eigenen guten Erfahrungen, schäm) natürlich toll. – Und übrigens: auch siebzehnjahre alte Kater haben es drauf, ihre Menschen sehr eng zu führen, vor allem, wenn es ums Essen geht.
Nicht nur wenn es ums Essen geht und nicht nur die 17jährigen 🙂 Katzen sind eh die allerschlimmsten Menschenführer, ein Hund folgt wenigstens ab und an dann doch…
Da hast Du recht, meistens klappt es ja mit dem Folgen. Aber wenn es um die Essenszeit geht, ist auch hund nicht mehr gesprächs- und verhandlungsbereit.
Im Auftrag von Kater DJ soll ich den letzten Satz umgehend bestätigen. Hab‘ ich natürlich sofort gemacht. Was bleibt mir anders übrig … Grüße, Ingrid
So sind sie, die kleineren vierbeinigen Fellnasen. Wissen immer ganz genau, was sie wollen und haben uns so voll in der kleinen Katzenkralle, dass wir auch sofort springen. Da ist der Hund als Chef ja doch ein bisschen anders, denn er schaut ein bisschen mehr, wie er mensch aus der Reserve locken kann und macht auch schon mal völlig alberne Sachen, um mensch zum Lachen und Spielen zu bringen. Aber wenn die Essenszeit überschritten ist, kann auch hund recht penetrant werden…
Katzen- und Hundegrüße aus Wuppertal, Claudia
Zweifelsohne eine interessante Idee… Was hier zusätzlich positiv auffällt ist, dass offensichtlich das ganze Buch kurzweilig geschrieben ist und die Handlung im Verlauf nicht abfällt. Ansonsten wäre der Rezensent sicherlich nicht so begeistert bei der Sache. Fazit: Herausragende Rezension, die Spaß macht… für mich als Hundenarr folglich ein „Pflicht“-kauf.
Danke! Und ganz viel Freude beim Erlesen der Mangementideen des Hunde-Chefs, die er aus der Vernunft seinen Hundebauches ebenso schöpft wie beim Stöckchen-holen vor dem Bürogebäude.