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LLL 2014 Kurzporträt (5): Esther Kinsky: Am Fluß

dbp_longlist_2014Esther Kinsky ist wiederum eine Autorin, die ich bisher nicht kannte, von der ich noch nichts gelesen habe. Über die Autorin etwas zu erfahren, ist auch ähnlich schwierig, wie bei Gertrud Leutenegger. Es sind kaum Interviews zu finden, kaum Artikel, die ein wenig Aufschluss gewähren über die Autorin selbst. So können hier nur ein paar biografische Daten genannt werden: geboren ist sie 1956 in Engelskirchen, aufgewachsen in Bonn, lebte einige Jahre in London, dann in Berlin und seit 2004 auch im südungarischen Battonya. Seit 1986 arbeitet sie als Übersetzerin russischer, polnischer und englischer Literatur und hat in dieser Zeit auch immer wieder Kurzprosa veröffentlicht, Gedichte und Kinderbücher. Erst 2009 hat sie ihren ersten Roman „Sommerfrische“ veröffentlicht, dann 2010 „Banatsko“, der in der Landschaft in Ungarn spielt, in der sie selbst auch wohnt.

Und nun also hat sie sich in ihrem neuen Roman wieder einer Landschaft zugewendet: einer Flußlandschaft, die sich die Ich-Erzählerin erwandert. Flüsse spielen auch in ihrem Leben eine wichtige Rolle, der Rhein ihrer Kindheit zum Beispiel, die Themse bei ihrem Aufenthalt in London. Kinsky nähert sich auch in ihrem neuen Roman einer Landschaft, setzt sich wandernd, beobachtend, schreibend mit der Landschaft auseinanderz, erkundet die Menschen, die dort leben, und ihre Geschichte. Es scheint ein ganz ähnliches Erzählkonzept zu sein, wie es auch bei Gertrud Leuteneggers „Panischer Frühling“ zu finden ist, denn auch dort erwandert sich eine Erzählerin ihre Umgebung. In der Verlagsvorschau ist über Kinskys Roman zu lesen:

Alte Fabriken, ärmliche Häuser, aber auch unverhoffte Streifen von Wildnis: eine Landschaft an der Grenze zwischen Stadt und Land, bevölkert von aus ihren Ordnungen gefallenen Menschen, wie sie das wahre Leben am Rande jeder Metropole prägen.
In neun Etappen eines Spaziergangs in der Gegend um den River Lea im Osten Londons verfolgt Esther Kinsky die sich überlagernden Spuren persönlicher Geschichte und urbaner Historie dieser Flusslandschaft und nutzt die Wildnis des Marschlands als Freiraum für Erinnerung und Reflexion. Der River Lea wird zur Grenzmarkierung und zugleich zu einem Wegweiser: Erfahrung und Wahrnehmung finden an ihm eine Schranke und ein Ziel.

Die Randlage ist hier also offensichtlich gerade nicht die Gegend, in der sich Erfolgreichen niederlassen, die, die es sich leisten können, außerhalb der Stadt zu wohnen, die beides wollen, sowohl das Angebot der Stadt in der Nähe, vor der Haustüre aber auch die Landschaft, die Weite, das Ländliche. Die Randlage in Esther Kinskys Roman ist vielmehr die Gegend, in die diejenigen vertrieben oder gedrängt werden, die es „in der Stadt“ gerade nicht geschafft haben.

Im Radiointerview erzählt Esther Kinsky, dass Grenzen und Übergänge für sie wichtig seien, so wie es diese Grenzen eben in der Landschaft am Fluss – hier und dort – zu beobachten gebe. Grenzen und Übergänge hat sie auch bei ihrer Arbeit als Übersetzerin kennen und zu überwinden gelernt und dabei, so sagt sie, ihre eigene Sprache gefunden. Gerade die besondere sprachliche Gestaltung ist bei den letzten Romanen immer wieder besonders gelobt worden. Die Autorin hat dem Roman auch Bilder hinzugefügt, Polaroids, denen man bei der Entwicklung, sozusagen bei der Bildwerdung, zuschauen kann, und die so auch den Übergang symbolisieren.

Wie wird Esther Kinsky von Landschaften und ihren Menschen erzählen, wie diese Erzählung verbinden mit den Beobachtungen der Natur, wie eigene Erinnerungen darin einbinden und alles in die Form des Romans bringen? Der Beginn jedenfalls ist viel versprechend, denn die Erzählerin trifft tatsächlich einen König:

In der Zeit meiner Abreise aus London begenete ich dem König. Ich sah ihn abends, im türkisen Dämmer. Er stand am Eingang des Parks und schaute nach Osten, dorthin, wo bereits ein tiefes, dunstiges Blau aufstieg, während in seinem Rücken der Himmel leuchtete. Aus dem Schatten der Büsche am Tor kam er mit lautlosen Schritten an den Rand der Rasenfläche, über den um diese Tageszeit die vielen Raben des Parks aufgeregt kreisten.

Wer von Euch möchte gerne mehr über diesen geheimnsivollen König erfahren? Schreibt, kommentiert, vielleicht könnt Ihr dann bald mit der Ich-Erzählerin die Flusslandschaften erwandern. Und hier klickt, wer vorher schon einmal Esther Kinsky lesen hören möchte (aus dem Roman „Banatsko“), und hier klackt, wer das ganze Radiointerview hören möchte.

 

Eine Reise zum Fluß hat Dana gewonnen. Herzlichen Glückwunsch und viel Spaß beim Lesen!

3 Kommentare

  1. Ja da muß ich mich auch noch einmal melden um vielleicht das Buch zu lesen, von dem ich auch keine Ahnung habe, Inhalt und Autorin waren mir bis jetzt unbekannt, ich bin aber neugierig mehr zu erfahren

  2. Schon wieder so ein spannend klingendes Buch, liebe Claudia! In „Randlage“ kam ich mir auf meiner Radtour entlang der Havel auch oft vor, aber ein König im „türkisen Dämmer“ – nein, der ist mir leider nicht begegnet. Einen schönen Restsonntag dir!

  3. Esther Kinsky habe ich mit ihrem vorherigen Buch, „Banatsko“, entdeckt. Es war ein Genuß, mit der Autorin spazieren zu gehen, sich Landschaften, Orte und Menschen vor dem inneren Auge führen zu lassen, auch wenn es meistens sehr düster war. Sie ist keine „heitere“ Erzählerin, aber eine bezaubernde.
    Ich habe mich sehr gefreut, dass sie auch diesmal auf der Longlist steht und würde das Buch auch gerne lesen.

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