Samy Wiltscheck führt in Ulm die Kulturbuchhandlung Jastram und schreibt auch auf seinem Blog. Zur diesjährigen Longlist und zum Buchpreis hat er diese Überlegungen „zu Papier“ gebracht:
„Oh, was soll ich bloß über die Longlist des Deutschen Buchpreises 2014 schreiben? Alle großen Zeitungen, Fachmagazine und Blogger haben sich schon geäußert und jeder hat seine eigene Meinung. Über etwas zu schimpfen und zu kritisieren ist natürlich nicht so schwer. Eine Idee nicht gut zu finden und es selbst anders machen zu wollen, oder erst gar nicht, liegt in der Sache selbst.
Vor Jahren ging mir diesbezüglich ein Licht auf. Auf die Fragen, wer denn nun dieses Jahr den Literatur Nobelpreis bekommen solle und danach, wie ich denn die Wahl finde, habe ich mich immer sehr schwer getan. Mittlerweile ist mir klar, dass natürlich nicht die beste Schriftstellerin, der beste Schriftsteller des Jahres gewählt worden ist, sondern es die Auswahl einer kleinen, überschaubaren Jury ist, deren Diskussionen im Verborgenen bleiben. Haben wir nicht während der Fussball-WM gefühlte 12 Millionen Schiris und Trainer vor den Fernsehapparaten? Wissen wir nach dem Spiel nicht so vieles besser, und wäre es nicht doch sinnvoller gewesen, den Spieler doch nicht zu bringen und warum denn diese Aufstellung?
Genauso geht es mir mit der Longlist 2014. Einige Bücher habe ich gelesen, einige Autoren kenne ich von ihren Vorgängerbücher, in manche Bücher habe ich schon reingeschaut, oder beim Bachmann Wettbewerb daraus gehört. Aber es gibt einige Bücher, die mir noch gar nichts sagen. Ob ich sie vor Bekanntgabe noch zu lesen schaffe, wage ich zu bezweifeln (Nur gut, dass es Blogs gibt, die sich da durchlesen und mir dann wunderbare Inhaltsangaben und Meinungen dazu liefern). So erscheint mir die Diskussion, ob hier Mainstream begünstigt wird, doch sehr fragwürdig, wenn ich die Bücher von Angelika Klüssenberg, Esther Kinsky und Matthias Nawrat anschaue. Warum dann Herr Stanisic wieder auf der Liste auftaucht, ist wohl Sache des Verlages. Fast scheint es mir, dass die Jury einen Kessel Buntes präsentiert und von vielen Sparten etwas dabei hat.
Für mich in meiner kleinen Buchhandlung werde mich mit dieser Liste noch nicht aus dem Fenster lehnen. Wir verkaufen weiterhin am Besten, was wir selbst gelesen haben. Und der Tisch mit den Neuheiten ist krachend voll mit tollen Büchern, die wir gerne unseren Kundinnen empfehlen. Spannender wird sicherlich die Shortlist mit den verbleibenden sechs Titeln. Wir hatten im Vorfeld des Leipziger Buchpreises die Diskussion ausgenutzt und im Rahmen unserer monatlichen Veranstaltungsreihe: „Die erste Seite“ statt aus vier Neuheiten, aus den Büchern der Shortlist vorgelesen und frecher Weise die ZuhörerInnen abstimmen lassen. Das machte allen sehr viel Spaß und hatte eine Langzeitwirkung bis über die offizielle Bekanntgabe hinaus. So werde ich es auch dieses Mal halten und mit einer ordentlichen Prise Humor die Bewertungen der Shortlist betrachten und das Gewinnerbuch gebührend präsentieren. Diese Auszeichnung belebt natürlich das Buchgeschäft und wenn ich mich nicht nur auf die Titel der Long- bzw. Shortlist beschränke, kann ich weiterhin meine internen Favoriten verkaufen und nehme diesen Wettbewerb gerne mit, zumal ich natürlich auch selbst davon profitiere und in Bücher hineinschnuppere, die ich sonst eventuell links liegen gelassen hätte.
Ich freue mich über fast jede Werbung für das Lesen, für Bücher und hoffe, dass wir dadurch ein paar Menschen mehr dazu bekommen, sich ein Buch zu schnappen. Was besseres kann uns doch gar nicht passieren, wenn ich sehe, was viele Wartende an den Bushaltestellen in der Hand halten. Meistens kein Buch.“
Vielen Dank, lieber Samy, fürs Mitmachen.
Ein schöner Beitrag, der von echt schwäbischer Gelassenheit und schwäbischem Humor geprägt ist. Und man kann es ja wirklich so sehen – wenn die Auswahlliste für den Buchpreis Schlagzeilen macht und munter kritisiert wird, macht das vielleicht auch den einen oder anderen Wenig-Leser scharf auf eines der Bücher. Also weiter diskutieren!
Ja, diese freundliche Gelassenheit bei gleichzeitiger Begeisterung fürs Lesen und Bücherempfehlen gefällt mir sehr.
In Ulm, um Ulm, um Ulm herum, eine schöne Stellungnahme, den Blog werde ich mir mal ansehen.
Was den Literatur-Nobelpreis angeht, dazu habe ich unlängst einen amüsanten Roman von Kerstin Ekman rezensiert, die ja auch schon länger diesem Komitee fernbleibt. Sein Titel: Schwindlerinnen.
Hach, in Ulm sammelte ich meine ersten schönen Buchladenerfahrungen, sparte auf das eine oder andere, stöberte durch die Regale und sog den Duft von Papier und altem Holz ein…seufz. Aber ich galub es war nicht die Buchhandlung Jastram, dafür habe ich dort um die Ecke als Schülerin einen Samstagsjob gehabt.. das is auch gleich das Mohrenköpfle und das Ulmer Brettle um die Ecke… geschwänzte Schultagen bei heißem Kakao und Zeitungslektüre, hach das war so schön und so entspannt damals. Ich dachte kurz vom Bild her es wäre diese Buchhandlung gewesen…