Michael Köhlmeier immerhin – mit Blick auf meine sechs Longlistpatenbücher – ist ein Autor, von dem ich schon zwei Bücher hier auf dem grauen Sofa gelesen und vorgestellt habe. „Idylle mit ertrinkendem Hund“, die Novelle um einen Schriftsteller und seinen Verleger, ihr Arbeitsverhältnis, ihr persönliches Verhältnis und ihre gemeinsamen Versuche, einen Hund zu retten, der im Eis eingebrochen ist, ist meine erste Begegnung mit Köhlmeier gewesen – und wurde angeregt, ach was: erzwungen, bei meinen Bloglesereien (eine winkende Hand in Richtung Kai :-)). Und dann folgte im letzten Jahr das Erlesen des Lebens Joel Spazierers, des Helden, der seine Mitmenschen so gut durchschaut, dass es sie nach eigenem Gusto für sich und seine Ziele einspannen, also manipulieren, und sich so als Hochstapler, aber einem deutlich unangenehmeren als Felix Krull, recht bequem und ohne jeden moralischen Skrupel durch die Zeitläufte bewegen kann. Was soll auch der einzelne eine Moral haben, wenn die große Politik um ihn herum sie nicht hat?
Zur Biografie Köhlmeiers ist dies festzuhalten: Geboren wurde er 1958 in Hard in Vorarlberg, er studierte von 1970 bis 1978 Germanistik und Politikwissenschaft und dann auch Mathematik und Philosophie in Marburg, Gießen und Frankfurt. In dieser Zeit hat er mit Reinhold Bilgeri, auch einem Autor und Filmemacher, ein Kabarett-Musik-Duo gegründet und ist mit einigen Titeln sogar über die Grenzen Vorarlbergs bekannt geworden – und manchmal stehen sie auch heute noch musizierend auf der Bühne (klick und klack). Seit den 1980er Jahren schreibt Köhlmeier Romane, Erzählungen, Hörspiele und einige wenige Stücke. Dabei ist bisher nicht nur ein sehr umfangreiches Werk zustande gekommen, sondern auch eines, das insofern besonders ist, als dass Köhlmeier sich neben den Stoffen, die er in seiner eigenen Prosa verarbeitet, auch immer wieder mit dem „alten“ literarischen Kanon auseinandersetzt, mit den Nibelungen, den alten Sagen, den Geschichten aus der Bibel, auch mit Shakespeare, und diese Geschichten neu erzählt.
Und so erzählt er uns also in seinem neuen Roman „Zwei Herren am Strand“ auch eine alte Geschichte in neuer Form. Tatsächlich haben Churchill und Chaplin sich gekannt. Köhlmeier malt uns nun aus, wie sich diese Bekanntschaft, diese Freundschaft, entwickelt, wie die beiden sich immer wieder treffen, lange mit miteinander sprechen, sehr vertrauensvoll – und absolut verschwiegen: „Die Protagonisten hatten einander in Pfadfinderart geschworen, niemandem über ihre Spaziergänge und Gespräche zu berichten.“ (S. 13) Die Gespräche umkreisen dabei natürlich die politischen Entwicklungen, aber auch Persönliches wird besprochen und besonders treibt sie jeweils die Sorge um den Gemütszustand des anderen um, denn beide leiden immer wieder unter Depressionen, beide müssen sie umgehen mit diesem „schwarzen Hund“. So haben sie sich versprochen, wenn einer Hilfe brauche, komme der anderes sofort.
Am Weihnachtstag 1931, gegen Mittag – so erzählte mir mein Vater –, stand ein Mann auf den Stufen zum Eingang des Hauses 119 East 70th Street in Manhattan, New York. Er wollte Mr. Winston Churchill besuchen, der hier vorübergehend bei seiner Cousine weilte.Der Besucher war nicht angemeldet, das Personal kannte ihnnicht, weder der Butler noch die Krankenschwester, und dass er behauptete, Charlie Chaplin zu sein, wies ihn in ihren Augen als einengefährlichen Irren aus. Sie drohten mit der Polizei, der Butler schließlich sogar mit einer Brown Bess Muskete, die allerdings nicht funktionstüchtig war, sondern für gewöhnlich als eines von zwei Erinnerungsstücken aus dem Unabhängigkeitskrieg über der Garderobein der Lobby hing. Erst als der Mann, die Hände zu einem Trichter anden Mund gelegt, so laut er konnte – er konnte nicht laut –, durch den Türschlitz, in dem sein Knie klemmte, rief: »Winston, Winston, ich bin es, Charlie. Ich bin da, Winston. Ich bin gekommen!«, und Churchill, dessen Zimmer sich glücklicherweise im Parterre befand, seinerseits, so laut er konnte – auch er konnte in diesen Tagen nicht laut–, zurückrief – »Glad tidings you bring!« –, ließ man ihn eintreten. (S. 11)
Das ist jetzt ein Buch das ich wirklich gerne lesen möchte und mir überlege, falls ich es nicht gewinne, es mir zum Geburtstag oder zu Weihnachten schenken zu lassen. Erstens ist der Autor auch ein Österreicher und dafür habe ich ja ein Faible, auch wenn er am anderen Ende des Landes lebt und für mich so österreichisch ist, wie für die Pariser wahrscheinlich die Elsäßer Franzosen, dann habe ich auch einiges gelesen, die „Idylle mit Hund“ noch nicht, die steht noch auf meiner Leseliste, aber das „Zimmer für dich allein“ und den „Joel Spazierer“ und dann ist auch das Thema „Churchil und Chaplin“ interessant, jetzt muß hier noch die Streeruwitz kommen, die ich auch gerne lesen würde und das wahrscheinlich irgendwann auch tue, dann ist die Wunschliste „fast“ komplett.
Liebe Claudia, ich lese den Roman selbst gerade – und bin schwer begeistert. Sehr szenisch geschrieben, menschlich, rührend, klug – steht meiner Meinung nach zurecht auf der Longlist des Deutschen Buchpreis! Es ist übrigens mein erster Köhlmeier, aber durch verschiedene Blog-Rezis habe ich mir schon vorher gedacht, dass mir sein Stil gefallen würde. Liebe Grüße und viel Vergnügen noch beim Lesen 🙂 Herzlich, Karo
Ich habe ja auch schon hineingeblinzelt in den Roman und bin schon ganz gespannt aufs Lesen. Der ironische Ton gefällt mir ja sehr gut. Nach Deinem Kommentar kann ja mit der Lektüre nichts mehr schief gehen. Ich freue mich jedenfalls drauf – und bin verwundert über die geringe Resonanz auf das Verlosungsangebot.
Viele Grüße, Claudia
Ich schleich mich mal hier rein und grüße in die Runde!
Ich habe „Zwei Herren am Strand“ angelesen und hätte am liebsten sofort weitergelesen.
Ein Schreibstil, der mich begeistert und zwei unheimlich faszinierende Protagonisten.
Das ist das Buch, das mich auf der Longlist am meisten angesprochen hat.
Herzliche Grüße
Ute
Köhlmeier lohnt immer, ob Longlist oder nicht. Ich habe bislang zwei seiner Romane gelesen, Abendland und Madalyn. Vor dem umfangreichen Spazierer schrecke ich noch ein wenig zurück, aber wenn zwei geschichtsgewichtige Herren den Strand entlang spazieren, könnte das recht kurzweilig sein.
Mit anderen Worten, ich bewerbe mich für die Lektüre. 😉