Wer sich die Welt erklären lassen möchte, der muss, wenn er sich selbst das Lesen der Zeitungsseiten ganz hinten und der Bücher, die auf keiner Bestsellerliste auftauchen, ersparen möchte, ins Kabarett gehen. Dort gibt es sie noch, die Aufklärer und die Clowns, die das große Ganze im Blick haben und manchmal auch die kleine, absurde Situation und uns die Dinge erklären, mal heiter bis lustig, mal so, dass es einem im Hals stecken bleibt, das Lachen.
Georg Schramm hat im letzten Jahr beschlossen, nicht mehr mit Soloprogrammen auf die Kabarett-Reise zu gehen. Nun wollen seine Kollegen Urban Priol und Jochen Malmsheimer, die sich wohl im Rahmen der Sendung „Neues aus der Anstalt“ kennen- und schätzen gelernt haben, diesen Rückzug aber nicht so sang- und klanglos über die Bühne gehen lassen, sondern den Kollegen und seine Verdienste um das Kabarett noch einmal ordentlich feiern. Dazu haben sie sich eine tolle Veranstaltung ausgedacht, haben schon Sponsoren eingeladen – was sie dem zu Ehrenden, das wissen sie genau, natürlich auf keinen Fall sagen dürfen -, für ordentlich viel Kracher und Feuerwerk gesorgt, wollen loben und singen und Gedichte vortragen: Das ganz Programm eben, das bei so einer Veranstaltung üblich ist. Ihre größte Sorge ist, dass der Jubilar zu lange und zu viel redet, dass er womöglich seine Redezeit dazu nutzt, seine treffsicheren Worte abzufeuern und die Ehrengäste mit einer geharnischten Wut-Rede brüskiert. Und Schramm, alias Lothar Dombrowski mit der hölzernen Hand, hat natürlich auch seine Vorstellungen von diesem Ehren-Abend und gibt klar vor, was er auf keinen Fall haben möchte, nämlich Gedicht, Lied und Spektakel, schon gar nicht solle seine Person im Vordergrund stehen, denn es gehe doch darum, das große Ganze im Blick zu behalten. So also die konfliktreiche Rahmenhandlung des Abends.
Und man kann es sich schon denken, es geht so ziemlich alles schief. Malmsheimer verplappert sich und spricht über die Sponsoren. Dombrowski feilt an seiner Rede und verbreitet damit bei den anderen beiden Angst und Schrecken, weil er ja doch wieder die Zusammenhänge der Finanzkrise so darstellt, wie die Gäste von der Deutschen Bank es wohl nicht gerne hören. Priol gibt seine Merkel-Parodien zum Besten, die Dombrowski ihm doch ausdrücklich untersagt hat, und dann wird natürlich auch noch ein Gedicht vorgetragen – eines aus der Anfangszeit des Jubilars -, es knallt und dröhnt und gesungen wird auch noch.
Es ist ein rundum toller Abend geworden, den die Drei da vorbereitet haben, denn neben der Rahmenhandlung hat jeder genug Raum, um seine eigene, ganz unverwechselbare Kunst vorzustellen. Und da fliegen die Worte und die Zusammenhänge und die Pointen schneller als man sie aufnehmen und verarbeiten kann. Erst werden dem Zuschauer die wirtschaftlichen Verstrickungen und der Frage, ob der Kapitalismus nun tot oder doch gerade mit neuer Kraft und grässlicher Fratze wiederauferstanden sei, um die Ohren gehauen. Schon konfrontiert uns Malmsheimer bei der Frage, wie Mann und Frau ihr Gefallen an einander bekunden („Wollen wir ficken?“) mit sozialkritischen Verwerfungen. Dann betrauern wir mit dem alten August, der jüngst sein vierzigjähriges Parteijubiläum bei der SPD feierte, die Entwicklungen in der SPD. Und zwischendurch wirbelt uns Priol die Absurditäten der Tagespolitik um die Ohren, das einem Hören und Sehen vergeht.
Es bleibt zu hoffen, dass Schramm, der am Ende des Abends die Geschichte der Rahmenhandlung noch einmal erklärt, den Begriff des SOLOprogramms ernst gemeint hat und sich doch noch ein paar Mal anstiften lässt von Malmsheimer und Priol, um mit ihnen gemeinsam auf Tour zu gehen. Dann könnten wir noch ein paar Mal in den unglaublichen Genuss kommen, uns von diesen drei unterschiedlichen Kabarettisten mit ihrem wortgewaltigen Parforce-Ritt durch die Niederungen des Alltags die Welt erklären zu lassen.