5 lesen 20

[5 lesen 20] Die Shortlist – Ein Interview

Logo_dbp_13_RGBSeit gestern Vormittag ist sie heraus, die Shortlist zum Deutschen Buchpreis. Aus den 20 Titeln sind nun noch sechs Romane im Rennen, die unter sich den Sieger ausmachen werden, der dann am 7.10.2013 zur Eröffnung der Buchmesse in Frankfurt gekürt wird.

Mich hat die Liste der „Letzten Sechs“ überrascht. Dem Vorwurf, dass die Jury des Buchpreises sich mit dem „ganz normalen“ Leser gemein macht, dass sie vor allem pekuniäre Ziele des Buchhandels verfolgt, hat sie sich nun wirklich nicht schuldig gemacht. Auf der Liste sind Titel, deren experimentelle und artifizielle Art des Umgangs mit Sprache eher abschreckend wirken und deren Themen eher schmermütig machen als dass sie die Lust aufs Lesen und die Auseinandersetzen mit Literatur und gesellschaftlichen Verhältnissen fördern.

Natürlich muss Literatur einen Anspruch haben, natürlich ist sie kunstvoll, vielleicht auch künstlich, natürlich soll sie anstrengend sein, soll hinter einer Geschichte verschiedene Deutungsebenen verbergen, natürlich braucht sie kein Happy End (dafür sorgen Rosamunde Pilcher und ähnliche Autoren), soll zum Inhalt eine passende Form haben, vielleicht gar einen kritischen Blick auf die Gesellschaft werfen. Aber sie soll doch auch lesbar sein, sie soll fesseln – und das geht auch bei der Beschreibung ganz grauenhafter Umstände. Wir fünf Bloggerinnen haben aber interessanterweise, sicher mit der Ausnahme Bonnés, vielleicht auch Poschmanns, die nun nonminierten Titel jedoch eher kritisch gesehen.

Einen genaueren Blick meiner Einschätzung zu den auf der Shortlist versammelten Titeln ist dem kleinen Interview zu entnehmen, das das Team des Deutschen Buchpreises uns fünf Bloggerinnen von „5 lesen 20“ zur Verfügung gestellt hat.

 

Welcher Roman der Shortlist ist Ihr Favorit und warum?

Bei der Einschätzung kann ich mich nur auf Sekundärquellen stützen, denn außer Monika Zeiner habe ich keinen der anderen Romane bisher selbst gelesen. Und bei meinen Bloggerkolleginnen konnten Bonné und Poschmann am ehesten überzeugen.

Welchen Roman (aus der Longlist) vermissen Sie auf der Shortlist?

Da vermisse ich gleich einige Romane. Von denen, die ich selbst gelesen habe auf jeden Fall Jonas Lüscher, der eine ganz wunderbare Novelle geschrieben hat über das Barbarische in unserer Gesellschaft. Auch Urs Widmers Autobiographie halte ich für shortlistwürdig, weil er ganz leicht, mit ironischem Ton und wunderbarer Sprache und doch mit ganz deutlichem Blick auch auf die Verwerfungen des Lebens die Geschichte seiner Kindheit und Jugend erzählt. Und Nellja Veremejs „Berlin liegt im Osten“ fehlt mir auch als Geschichte über die Facetten der Entwurzelung.

Welchen Shortlist-Autoren würden Sie am liebsten kennen lernen wollen und warum? Was würden Sie diesen fragen wollen?

Ich würde alle gerne danach befragen, wie der Prozess des Entstehens und Schreibens ihrer Romane abgelaufen ist, wie das Thema entstanden ist, die Überlegungen zur Umsetzung, welche Vorarbeiten notwendig waren, welche Recherchen, wie sie ihre Arbeit strukturieren, wann sie schreiben und wo usw.

Welchen Shortlist-Roman schenken Sie Ihrer Schwiegermutter zu Weihnachten?

Wenn ich die „Schwiegermutter“ als Chiffre sehe für die Leser, die keine Literaturkritiker sind, keine Germanisten, keine Verlagsmenschen und keine Buchhändler und auch älter als 40 Jahre, dann gibt es auf der Shortlist keinen Titel, den ich meiner „Schwiergermutter“ schenken würde. Meiner realen Schwiegermutter würde ich am ehesten vonder Longlist Urs Widmers Buch schenken. Das wäre ein toller Anlass, noch einmal, angeregt durch die Erzählungen Widmers, in Kindheitserinnerungen einzutauchen und zu schauen, welche besonderen Erlebnisse sie erinnert, welche ich erinnere, welche Erlebnisse vielleicht universell sind, welche ganz abhängig von der jeweiligen Umgebung und Zeit.

Welchen Roman wird die Jury Ihrer Meinung nach auswählen?

Das wäre reine Spekulation, weil ich gar nicht weiß, wie die Jury „tickt“, da kann ich gar nichts zu sagen. Ich hoffe, dass sie ein gutes Händchen hat, aus den sechs Titeln nun tatsächlich „das Buch“ des Jahres 2013 auszuwählen.

8 Kommentare

  1. So schlimm ist das, obwohl ich eigentlich auch von der Auswahl überrascht war und mir drei Mainstreamnamen fehlten, von denen ich ganz sicher war, die müssen darauf, damit das Weihnachtsgeschäft gut läuft, finde ich nicht, sondern eigentlich ganz schön, daß die Jury sich traut Namen daraufzusetzen, mit denen niemand gerechnet hätte. Und die Mora ist sicher lesbar, der Bonne ist es und der Meyer. Der Jirgl ist ein Sonderfall natürlich. Über das Zeiner-Buch kann ich nichts sagen, weil das an mir ziemlich vorbei gegangen ist und von der Marion Poschmann war ich überrascht. Da habe ich in der Leseprobe eine interessante lyrische Stimme entdeckt, von der ich gerne mehr lesen möchte. Und was die Sperrigkeit und das Anspruchsvolle betrifft, würde das für den „Stangl“ ja ganz genauso zu treffen. Also schön und spannend und jetzt lesen und Bücher schenken und zwar, die die man will, ganz unabhängig von der Liste. Diese Diskussionen darüber, sind aber auch ganz schön!

    • Liebe Eva,
      ein Positives hat die Liste ja, das muss ich zugeben: Es sind eben nicht die bekannten Namen (Glavinic, Kehlmann, Timm) darauf, die aber auch nicht so recht etwas Überzeugendes und Gutes vorgelegt haben. dann gehören sie auch nicht weiter nominiert. Und wenn der Buchpreis ein Kritikerpreis werden soll, dann sind sicherlich die anspruchsvollen Titel drauf, die das Kritikerherz höher schlagen lassen. Dann verstehe ich allerdings nicht die Nominierung von Zeiner, die ein „nettes“ Buch geschrieben hat, aber sicherlich nicht eines der sechst besten deutschsprachigen Romane dieses Jahres. Ansonsten stimme ich Caterina sehr zu, die hier irgndwo geäußert hat, dass es ja ganz schön wäre, wenn verschiedene Preise auch verschiedene Zielgruppen im Auge haben. Ich würde statt Zielgruppe, das ist so marktkonform, vielleicht Qualitätsstandards sagen.
      Viele Grüße, Claudia

  2. Für mich ist das Schöne an dieser Liste, daß ganz klar herauskommt, daß es „die sechs besten deutschsprachigen Bücher“ nicht gibt und auch nicht geben kann, weil jeder etwas anderes darunter versteht und sich jeder das Seine aus diesen Listen und den Büchern, die gar nicht darauf stehen, heraussuchen soll und da hat mich die Jury diesesmal sehr überrscht und das finde ich fein!

    • Da hast Du völlig recht. Und die Auseinandersetzung darüber macht ja dann auch noch einmal ganz viel Spaß!
      Viele Grüße, Claudia

  3. Liebe Claudia,

    auch ich war über die Zusammensetzung der Shortlist überrascht, denn bis auf den lesenswerten Roman von Bonné kenne ich davon noch nichts – das werde ich aber nachholen. Ich finde es schade, dass man Jirgl auf die Shortlist setzt, vielleicht ein Stück weit um Intellektualität zu generieren, dafür aber eine schöne Erzählung wie die von Nellja Veremej außen vor lässt. Aber ach ja, Geschmäcker sind halt einfach verschieden.

    Liebe Grüße
    Mara

    • Liebe Mara,
      und mir fehlt Jonas Lüscher (schnief) und bestimmt auch Veremej, die ich als nächstes lesen möchte.
      Viele Grüße, Cludia

  4. Liebe Claudia,
    die Leseprobe von Urs Widmers habe ich irgendwie als zäh empfunden, aber vielleicht lag das daran, dass ich von Anfang an desinteressiert an diesem Werk war (ich bin keine große Freundin von Auto/Biographien – was natürlich nicht bedeutet, dass ich autobiographisch inspirierte Romane verachten würde, im Gegenteil). Interessant jedenfalls, dass du Widmers so in den Vordergrund stellst, wo es doch in unseren Buchpreis-Diskussionen bisher noch keine große Rolle gespielt hat. Wäre es für dich ein Siegertitel gewesen? Oder doch Lüscher?

    Herzlich,
    caterina

    • Liebe Caterina,
      Widmer ist auf keinen Fall ein Titel für den Buchpreis, da würde ich mir schon etwas „Aufregenderes“ wünschen. Er erzählt eben wichtige Stationen seines Heranwachsen und seiner Zeit als junger Erwachsener, in der nicht viel Neues passiert, was ich nicht schon einmal bei anderen Autoren auch schon gelesen habe. Die Zeit des Krieges und der Nachkriegszeit wird noch einmal deutlich, als Rahmen des Aufwachsens. Deshalb könnte ich es mir sehr gut als Schwiegermutterbuch vorstellen, als Anlass, dass sie auch noch einmal erzählt, wie es in den Jahren gewesen ist. Und Urs Widmer hat eine sehr schöne Sprache, die ich nach Zeiner furchtbar einfach und schlicht, aber doch elegant und immer mit einer Portion Ironie als ganz toll empfunden habe.
      Viele Grüße, Claudia

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