Alle unter Familiengeschichte verschlagworteten Beiträge

Joanna Bator: Bitternis

Fast ein Jahrhundert umspannt die Geschichte der vier Frauen, die Kalina, die Urenkelin, hier zusammenträgt und versucht zu rekonstruieren. Angefangen hat sie mit ihrer Urgroßmutter Berta, der Metzger-Tochter aus Langwaltersdorf in Schlesien in den 1930er Jahren. Sie bringt 1939 ihre Tochter Barbara zur Welt, die dann fast ihr gesamtes Leben in der in der Nähe liegenden Stadt Wałbrzych am Bergmannsplatz in einer winzigen Mansarde verbringt. Dort zieht sie ihre Tochter Violetta auf, später die Enkelin Kalina. Und die kehrt dann zurück nach Görbersdorf in die Pension Glück, dahin, wo, so wurde ihr erzählt, Barbara gezeugt wurde. Bitter, bitter – so ist auch der polnische Titel des Roman – ist das Leben der vier Frauen. Wegen ihrer Armut, wegen ihrer Chancen- und Perspektivlosigkeit, auch wegen fehlender Liebe. Bertas Mutter Winifrid stirbt im Kindbett, die Tochter bleibt allein mit dem Metzger-Vater. Manchmal lässt er die kleine Tochter auf seinen Schultern reiten, lässt sie an seinen Ohren ziehen und nimmt sie mit zum Zirkus nach Wałbrzych. Vor allem aber bringt er ihr bei, wie sie Grützwurst, Schweinsohrsülze und …

Jutta Reichelt: Wiederholte Verdächtigungen

„Wir sind nicht dafür geboren, was wir mit kurzsichtigen Augen für unser eigenes, kleines, persönliches Glück halten, denn wir sind nicht lose, unabhängige und für sich bestehende Einzelwesen, sondern Glieder einer Kette.“ Das schreibt Konsul Buddenbrook seiner Tochter Toni, als die bei den Hochzeitsplänen nicht ihrem Vater und seiner Idee einer Familientradition folgen möchte, sondern ihrem eigenen Herzen. Diese Art der Familientradition, die durch die Eltern und aus dynastischen Gründen arrangierte Ehe, hat ja zum Glück heute nicht mehr so eine große Bedeutung. Trotzdem aber gilt nach wie vor, dass wir alle Glieder einer Kette sind, nämlich insofern, als dass wir die Erfahrungen und Erlebnisse, die Geschichten und Anekdoten, die Konflikte und Auseinandersetzungen, ja, auch die Traumata unserer Eltern und vielleicht auch unserer Großeltern mit uns herumtragen – und manchmal wissen wir das nicht einmal. Jutta Reichelt hat solch eine traumatische Geschichte zur Urszene ihres Romans gemacht und schaut, wie solch ein Trauma durch die Generationen weiter lebt. Da ist Christoph, mittlerweile dreißig Jahre alt, Akademiker mit Aussicht auf eine Promotion, leidenschaftlicher Fan von Werder …